
Ich lese die Nachrichten und merke: Das mit den amerikanischen Zöllen verstehe ich nicht ganz. Ausser, dass jetzt alle mit der Stirn runzeln und mit verhaltener Stimme davon sprechen, dass wir uns sämtliche Optionen offen halten sollten.
Ich befrage die Kunst wie andere das Orakel: Was wird die Zukunft bringen? In ihrer Ausstellung Maybe Now liefert Franziska Furter vierzehn mögliche Antworten. Handtellergross und vielfarbig marmoriert, wirken die Bilder wie variable Szenarien einer ungewissen Gegenwart. Auf einem Bild sind horizontale Schichtungen zu sehen. Petrolblau, azur, ultramarin, pink und ockerfarben scheinen sich die Farben vor unseren Augen aufzutürmen und den Bildraum blattfüllend in Beschlag zu nehmen (A Grain of Sand / Tywod, 2024). So wie dieses Blatt gehören alle gezeigten Arbeiten zur gleichnamigen Serie «A Grain of Sand». Dabei könnte jedes Bild gut für sich alleine stehen: eine eigene Welt in Miniatur, das grösser und vielschichtiger wird, je detaillierter man es betrachtet. Ein aufbrausendes Meer ist das da vielleicht – und das daneben, das könnten die Polarlichter sein. Ich rede mir ein, dass ich auf einem Bild eine Landschaft erkenne und auf einem anderen den Nachthimmel. Diese Arbeiten auf Papier, sie sind dem Kaffeesatz-Lesen nicht unähnlich. In beiden Fällen hat man es mit materiellen Rückständen zu tun, die es nun zu interpretieren gilt.
Nein, Furter hat es nicht darauf angelegt, dass ihre Arbeiten benutzt werden, um die Zukunft zu ergründen. Aber in ihrer formalen Vieldeutigkeit lassen ihre Bilder alle möglichen Interpretationen zu. Dabei überlässt es Furter nicht dem Zufall, welche farbigen Ablagerungen auf den Arbeiten zur Geltung kommen – den Ausschnitt für ihre kleinformatigen Bilder wählt sie jeweils sehr bewusst aus. Und auch darin besteht die künstlerische Präzision der Künstlerin: Furter zeigt ihre Arbeiten in einem Fugenrahmen, in dem die Blätter zu schweben scheinen. Die in der Technik des Marmorierens angelegte Zufälligkeit wird durch die Rahmung also entschieden eingehegt. Denn auch wenn man, wie sie, das Marmorieren als künstlerische Technik beherrscht, so bleibt ein Element der Unkalkulierbarkeit jeweils bestehen. Hat man die Wasseroberfläche mit Farbe benetzt und das Papier eingetaucht, um die oben schwimmende Farbschicht abzuziehen, so weiss man immer erst am Schluss, was dabei rauskommt. Das ist dann wieder ähnlich wie bei den Zöllen, deren politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen wir erst noch abwarten müssen. In der Zwischenzeit lohnt sich ein Besuch in der Galerie Lullin+Ferrari .
Franziska Furter, Maybe Now, Lullin + Ferrari, Limmatstrasse 214, 8005 Zürich, 21. März–17. Mai 2025