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Reading Rämistrasse #150: Samuel Haitz zu Treasure of the Town: Malerbuch by Clubhaus im Kunsthaus Zürich - Akademie - Kunsthalle Zürich
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Reading Rämistrasse #150: Samuel Haitz zu Treasure of the Town: Malerbuch by Clubhaus im Kunsthaus Zürich

Während des Zurich Art Weekends hatte ich es nicht geschafft, mir die von Lhaga Kondhoor und Shamiran Istifan kuratierte Ausstellung Treasure of the Town: Malerbuch by Clubhaus anzusehen, welche ich bei ihrer Ankündigung als Versuch des Kunsthaus Zürich abtat, seinen angeschlagenen Ruf etwas aufzubessern. Diesen Besuch holte ich nun nach.

Istifan und Koondhor luden für die Ausstellung 84 Positionen ein, analog zum historischen Malerbuch – einer Sammlung von Zeichnungen und Blättern verschiedener Künstler:innen, welche 1794 von Mitgliedern der Künstlergesellschaft, aus der das Kunsthaus Zürich hervorging, zusammengetragen wurde – jeweils ein Werk zur Ausstellung beizusteuern. Die nun eingereichten Arbeiten, viele davon auf Papier, aber nur wenige von tatsächlichen Maler:innen stammend, wurden in sechs massiven Vitrinen in dem Raum arrangiert, den das Kunsthaus normalerweise zur Präsentation einer Auswahl seiner Grafischen Sammlung nutzt.

Nicht nur die Vitrinen, sondern auch die in sanftem Grün gestrichenen Wände, die gedimmte Beleuchtung des Raums mit Spots, wie wir sie aus konservatorischen Gründen oft in Präsentationen von Druckgrafiken finden, und die kleinen Schildchen mit Namen, Titel, sowie teils Jahresangabe für jedes einzelne Werk lehnen sich ästhetisch an die Trakte von Museen an, in denen nicht-zeitgenössische Kunst gezeigt wird.

Die teilnehmenden Künstler:innen, darunter viele, die im Programm des Kunsthauses chronisch unterrepräsentiert sind – weibliche, aber auch queere, sowie nicht-weisse und migrantische Positionen, scheinen mir gegen diese szenografische Anbiederung an die heiligen Hallen der Institution zu arbeiten. Die ausgestellten Arbeiten wirken wie die Ergebnisse eines Wettbewerbs darüber, wer am nonchalantesten mit dem Scheinwerferlicht ebendieser umgehen kann.

Treasure of the Town: Malerbuch by Clubhaus, Kunsthaus Zürich

Image: Kunsthaus Zürich, Franca Candrian

Zu den künstlerischen Beiträgen, die positiv mit ihrem Witz herausstechen, gehören zum Beispiel Cassidy Toners Bleistiftzeichnung Self portrait with a dumb filter, welches die Künstlerin mit Elfenohren zeigt, Shirana Shahbazis Polaroid-Stilleben eines Hummers Too bad to be sad, oder Bernhard Hegglins Kritzeleien auf einer Seite eines Selbsthilfebuches. Weitere persönliche Highlights sind Jiajia Zhangs Collage Starry Night, die ein Foto der Tochter der Künstlerin im Säuglingsalter auf hellblauem Grund zeigt, auf welchen Zhang Klebesterne angebracht hat, sowie Klaudia Schifferles in Glitzer gearbeiteter Satz «FICTION SMILES AT ME IN FORM OF A WISH A MAGIC KISS TO BE A QUICK CHANGE ARTIST». Ins Auge sticht auch das Werk von Ajmal Shifaz und Sitara Abuzar Ghaznawi, welche ein gefaltetes Blatt Papier mit einem Sticker versiegelten, der die palästinensische Flagge zeigt. Nur von der Innenseite schimmert leicht eine Grafik durch das dünne Blatt. Ansonsten bleibt die Front, abgesehen von den Signaturen der Künstler:innen, die hier als integraler Teil des Werkes zu verstehen sind, leer. Die Arbeit gehört für mich zu den stärksten, poetischsten und aktuellsten der Ausstellung.*

Treasure of the Town: Malerbuch by Clubhaus, Kunsthaus Zürich

Image: Kunsthaus Zürich, Franca Candrian

Die Ausstellung versteht sich laut Begleittext als «Momentaufnahme der Zürcher Kunstszene von heute». Das wirft Fragen auf, spätestens wenn man feststellt, wie viele der ausstellenden Künstler:innen weder in Zürich leben noch arbeiten. Einige der gezeigten Positionen sind, wenn ich das richtig sehe, auch eher around als aktive Kunst- oder Kulturschaffende, sofern man das Auftauchen an Raves nicht als Performance oder das Betreiben eines Instagram-Profils nicht generell als künstlerische Praxis versteht. Der Begriff der (Kunst-)Szene, den die Kuratorinnen hier bemühen, ist also ziemlich subjektiv zu verstehen. Die von ihnen konstruierte Szene besteht, mit Ausnahmen, aus einem relativ engen Geflecht von Freundschaften und bildet eine spezifische, ziemlich homogene Ecke der heterogenen Zürcher Kunstwelt ab.

Nach dem Ende der Ausstellung wird die Show, wie der Titel verspricht, als Malerbuch zusammengefasst, die Arbeiten darin eingeklebt. Viele der beteiligten Künstler:innen entschieden sich deshalb, ihre Arbeiten vorderseitig zu signieren, ein Künstler versah sein Werk sogar mit einem Wasserzeichen – ein Bruch mit den künstlerischen Konventionen dieser hier mehrheitlich ausgestellten jungen Generation, welcher leider viele Arbeiten etwas konservativ erscheinen lässt.

Treasure of the Town: Malerbuch by Clubhaus, Kunsthaus Zürich

Image: Kunsthaus Zürich, Franca Candrian

Für die Gestaltung des Malerbuches heuerten Istifan und Kondhoor das in Berlin arbeitende Schweizer Designerduo Ottolinger (Cosima Gadient und Christa Bösch) an. Das übergrosse Buch, das in einer eigenen Wandvitrine präsentiert wird, haben die beiden in schwarzen und gelben Gummi gedippt, der lange Fäden zieht, wie sie es in ihren Kollektionen mit Schmuck und Handtaschen zu tun pflegen. In den gleichen Farben ist auch Ariane Vonmoos’ Werk gehalten und man ist geneigt, dessen Titel als überspitzten Kommentar auf Tendenzen dieser eigentlich gelungenen Präsentation zu lesen: Trendy Narcissism.

* Hier wollte ich ursprünglich lobend erwähnen, dass das Kunsthaus Zürich diese Arbeit nicht zensierte, wie ich es mir zumindest aus dem institutionellen Kontext in Deutschland, wo ich bis vor Kurzem wohnte, leider gewohnt bin. Das Zulassen von pro-palästinensischer Solidarität in Institutionen ist aber the bare fucking minimum, deren Zensur hingegen skandalös.

Treasure of the Town: Malerbuch by Clubhaus, Kunsthaus Zürich, 7. Juni–1. September 2024

Mit: Nabi Ahmadi, Alfatih, Mathis Altmann, Nils Amadeus Lange, Yumna Al-Arashi, Tosh Basco, James Bantone, Tenzing Buffoli, Stefan Burger, Francesco Cagnin, Pashk Cenaj, Sultan Çoban, Anjesa Dellova, Amanda Del Valle, Valentina Demicheli Jittsayakul, Ida Ekblad, Nina Emge, Mario Espinoza, Lara Esqueda, Gritli Faulhaber, Pe Ferreira, Azize Ferizi, June Fischer, Jazmina Figueroa, FBB420, Gabriele Garavaglia, Tereza Glazova, Jasmine Gregory, Bernhard Hegglin, Raphael Hefti, Shamiran Istifan, Josh Johnson, Tobias Kaspar, Roman Selim Khereddine, Ivana Kojic, A.C. Kupper, Tarek Lakhrissi, Kesang Lamdark, Sem Lala, Miriam Laura Leonardi, Lorenza Longhi, Xafya Lovecraft, Luna Mahoux, Marie Matusz, Rico Scagliola + Michael Meier, Thomas Moor, Sveta Mordovskaya, Mohamed Almusibli, Vithursan Nellinathan, Christian Neuenschwander, Ottolinger, Ceylan Öztrük, Jack Pryce, Osama Alrayyan, RM, Una Szeemann, Shirana Shahbazi, Ajmal Shifaz + Sitara Abuzar Ghaznawi, Klaudia Schifferle, Rafał Skoczek, Medjid Sopi, Mina Squalli-Houssaïni, Romy Strasser, Stella, Vivian Suter, Ruba Al-Sweel, Cassidy Toner, Wu Tsang, Ronja Varonier, Ilaria Vinci, Veli + Amos, Ariane Vonmoos, Jan Vorisek, Hannah Weinberger, Noyan, Latefa Wiersch, Ian Wooldridge, Urban Zellweger, Jiajia Zhang

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