Noch bis zum 16. Juli präsentiert der kleinfeine Kunstsalon jevouspropose am Helvetiaplatz, die von Elise Lammer kuratierte Ausstellung Tout Doux: Gong Bath der deutschen Künstlerin Sarah Ancelle Schönfeld. Präsentiert wird eine raumgreifende Inszenierung mit drei Skulpturen, die das Publikum zu einer Klangreise in Körper und Raum entführen soll.
Die im Hauptraum gezeigten Kunstfiguren wirken wie mit einem Stift in die Luft gezeichnete Strichmännchen. Sie sind hergestellt aus gebogenem Stahl und türkisblau lackiert. Die Figuren tragen jeweils zwei kleine Gongs, die Brüste repräsentieren. Diese sogenannten Nippel Gong sind flache, meist aus Bronze gefertigte Klangkörper aus deren Mitte, die namensgebende, nippelförmige Erhöhung hervorragt. Gongs diverser Formen und Grössen werden in weiten Teilen Asiens verwendet. Ursprünglich eingesetzt in buddhistischen Tempeln bei der Meditation und bei gewissen Heilpraktiken, werden sie mittlerweile, in fast allen Breitengraden, als wohltuende Klanginstrumente benutzt.
Die Farbgebung kann auf Wasser oder himmlische Sphären hinweisen. Gleichsam werden Bilder von Fabelwesen, Nixen, Geistern oder sogar Ahnen evoziert. Denn ikonographisch betrachtet, dient Wasser oft als Metapher für Reinheit oder Transzendenz, wodurch die profane Leiblichkeit überwunden werden kann. Zwar deutet die türkise Linienumrandung eine Grenze zwischen Innen und Aussen an, ähnlich einer Haut oder Membran, aber die Reduziertheit wird zugleich Projektionsfläche für vielerlei Deutungen.
So identifiziert die Zeitschrift Annabelle das Dargestellte, aufgrund der Gongs, als «sinnliche Frauenfiguren», die «zum Nachdenken über die Rolle der Frau im Laufe der Geschichte anregen» sollen. (Annabelle 30/5/2023) Es kann sein, dass Schönfeld in ihren Werken Themen wie Körpergeschichte und Körperpolitik auszuhandeln versucht, doch zu beliebig sind die Skulpturen, um einen präzisen Diskurs freizusetzen. Im Übrigen: Warum werden Frauenkörper immerzu politisiert, wenngleich männliche Körper primär neutral gedeutet werden? Denn die ausgestellten Skulpturen tragen keine geschlechtstypischen Merkmale und somit bleibt eine entsprechende Zuordnung vage.
Im Hinterraum hängen Bilder der Werkreihe En Trance, die wie abstrakte Farbmalereien aussehen. Auf Rückfrage erklärt die Künstlerin, dass die Bilder so lange getrommelt wurden, bis die flüssigen Farben zu Pfützen eintrockneten. Dabei lüftet sich ein Geheimnis: Was auf den ersten Blick wie Leinwand aussieht, ist in Wirklichkeit Ziegenhaut. Die Bilder dürfen — ja, sie sollen sogar — von den Besucher*innen mit einem Trommelstock «aktiviert» werden. Dank der Vorführung erklingt die Trommel in tiefen Tönen und versetzt Körper und Raum unmittelbar in Vibration.
Währenddessen berichtet Schönfeld, dass die Idee für die rechteckigen Bilder der portugiesischen Rahmentrommel Adufe entnommen ist. Der Unterschied bestehe aber darin, dass Adufe beidseitig bespannt und nicht bemalt sind. Stattdessen sollen die En Trance wie westliche Gemälde aussehen, letztlich aber dem persönlichen Spiel dienen. Obwohl der Trommelklang entzückt, wirkt die Idee schal und die Bemalung amateurhaft. Überzeugen können diese Werke nur bedingt, denn Rahmentrommeln werden in unzähligen Kulturen eingesetzt. Demnach bleibt fragwürdig, was hier die Trommel zum Kunstwerk transformiert?
Während der Ausstellungseröffnung schwirrt zudem ein Buzzwort herum, das lautet: «aktivieren»! Die Besucher:innen sind eingeladen, Gongs und Trommeln mit dem Schlägel zum Klingen zu bringen, sprich zu aktivieren. Zwar werden hie und da ein paar Klänge freigesetzt, aber alles in allem schweigen die Werke überwiegend.
Das hat zur Folge, dass die sonophilen Erscheinungen in substanzloser Nettigkeit verhallen. Sie entspringen zwar einer interessanten Grundidee, kippen aber aufgrund ihrer unausgereiften Gestaltung ins Dekorative. Die Klanginstrumente werden zu trivialen Spielobjekten entmündigt, die zwar verlockend wirken, doch denen eine umfassendere Kontextualisierung fehlt. Deshalb klingen die Werke auch nicht über den Ausstellungsraum hinaus, sondern bedienen eher die Idee einer Erholungsindustrie, wo ein paar Klänge innerliche Ausgeglichenheit und Frieden liefern sollen.
Die Verwendung der Gongs und Adufe-inspirierten Trommelbilder hinterlassen einen ambivalenten Nachgeschmack kultureller Aneignung. Ein Stück weit erscheint bereits die Auswahl der Klanginstrumente willkürlich und andererseits werden die oftmals rituell genutzten Objekte aus ihrem kulturellen Kontext losgelöst, aber narrativ nicht neu eingebettet. Beispielsweise wird im arabischen und persischen Raum, dem tiefen, runden Klang der Rahmentrommel, oft nachgesagt, den Herzschlag der Erde zu verkörpern. Im Bereich der zeitgenössischen Kunst wird daraufhin die ästhetische Gestaltung und Konzeptualisierung elementar sinnstiftend. Es fehlt diese Einbettung. Es folgt eine reine Einverleibung. Klangschalen & Co. finden zwar mittlerweile schon weit verbreitete Verwendung in Wellness und Spiritualismus, dennoch kann nicht vorausgesetzt werden, dass ein westlich sozialisiertes Publikum diese Objekte zu lesen weiss.
Rituale zielen grundsätzlich darauf, die Gegenwart erlebbar zu machen. Sie schaffen eine soziale Teilhabe an der Erfahrung des Daseins während einer bestimmten Zeitspanne. Sie dienen nicht dazu, die Realität mystisch aufzuladen, sondern das leibliche und geistige Selbst anhand des Wahrnehmens, Empfindens, der Bewegung, Gewohnheit und der Spontaneität an die Gegenwart zu binden. Kurz gefasst, Rituale sind eine Form kommunikativen Handelns. Zwar obliegen sie konstanten Veränderungen, aber generell binden sie den Menschen in ein Erlebnis ein, wodurch das Selbst lernt, sich wahrzunehmen.
Von Seiten der Künstlerin wurde betont, dass die Kunstwerke in Performances eingebunden werden, somit ritualisiert werden, aber während der gesamten Laufzeit der Ausstellung wurde nur eine halbstündige Performance angeboten. Folglich wird das mögliche Eintauchen in diese besonderen Klangwelten dem Publikum nicht ausreichend zugänglich gemacht. Demnach werden die Objekte ihrer Sprache beraubt.
Was auch immer gefehlt haben mag, feststeht, dass die Ausstellung in dieser Momentaufnahme nicht überzeugen konnte. Zwar bietet die Grundidee eine durchaus gute Ausgangslage, doch Bilder und Figuren verkommen zu weichgespülter Dekoration und können als Kunstwerke wenig beeindrucken. Passend hierzu ermahnt Sylvia Plath in admonition:
«If you dissect a bird / To diagram the tongue / You'll cut the chord / Articulating song.»
Sarah Ancelle Schönfeld: Tout Doux: Gong Bath, jevouspropose, Molkenstrasse 21, 8004 Zürich, 02. Juni—16. Juli 2023