Das Besondere an der Kunst ist doch, dass sie, in Anlehnung an Ellen Dissanayake, etwas besonders macht. Die Kunst rettet unser Primatenhirn davor, vom unendlichen Rauschen der Natur und des Universums überfordert zu werden. Durch Gesang, Tanz, Zeichnung und Malerei, etc. machen wir dieses und jenes der Welt besonders und unterscheiden dadurch was Teil unserer (Um-)Welt ist und was nicht. Mein Heim erkenne ich am Üetliberg und See, der peinlichen Kunst im öffentlichen Raum und meinen Lieblingsvasen und -büchern, Pflanzen und Kunstwerke, die ich in meiner Wohnung ausstelle. Sie sind nicht so sehr Ausdruck meines Selbst, sondern viel mehr Marker des Ortes, wo ich mich situiere und orientiere; sie machen mein Heim besonders.
Das Besondere an der Kunst ist doch, dass sie, in Anlehnung an Ellen Dissanayake, etwas besonders macht. Die Kunst rettet unser Primatenhirn davor, vom unendlichen Rauschen der Natur und des Universums überfordert zu werden. Durch Gesang, Tanz, Zeichnung und Malerei, etc. machen wir dieses und jenes der Welt besonders und unterscheiden dadurch was Teil unserer (Um-)Welt ist und was nicht. Mein Heim erkenne ich am Üetliberg und See, der peinlichen Kunst im öffentlichen Raum und meinen Lieblingsvasen und -büchern, Pflanzen und Kunstwerke, die ich in meiner Wohnung ausstelle. Sie sind nicht so sehr Ausdruck meines Selbst, sondern viel mehr Marker des Ortes, wo ich mich situiere und orientiere; sie machen mein Heim besonders.
Zuweilen ist aber verwunderlich, dass in Zürich der Kunst keine besondere Kraft jenseits von Small Talk und thematischer Aufsätze in Kunst- und Ausstellungsform zugesprochen wird. Sie scheint eher Luxus und ein «Nice-to-Have» zu sein als eine existenzielle Notwendigkeit. Umso erfreulicher ist die Ausstellung On Photography: Landscape, Cityscape, Interior in der Zürcher Traditionsgalerie Edition VFO, in der eine ehrliche Annäherung an das Wesen der Kunst frei von Zynismus erlebbar wird. Anhand fotografischer Arbeiten, mehrheitlich aus dem Fundus der Galerie sowie neuen Produktionen von Axel Hütte und Annelies Štrba, wird offensichtlich wie Kunst unseren Alltag erschafft.
Gerade in den herausforderndsten aber auch reich lohnenden Arbeiten von Štrba und Daniela Comani wird deutlich, wie sehr Kunst unser Sehen und Erleben von Welt formt. Im Siebdruck yama, 2021, von Štrba erschwert der tiefe Kontrast und die flächige Auftragung der Farben das Erkennen der vermutlich japanischen Berglandschaft (yama bedeutet Berg auf Japanisch). Erst nach einem genaueren Blick eröffnet sich ein tiefes Panorama auf Felswände, Bäume und einem Teich und zeugt von der Schwierigkeit, aus der absoluten Gleichheit etwas besonders hervorzuheben. Ebenso deutlich wird in Comanis Fotografien die Einrahmung von Landschaft durch Medien bis zum Punkt, wo das Medium selbst zur Landschaft und Heimat wird: OFF#01 und OFF#23 (beide 2013) zeigen die graue Fläche alter Fernsehgeräte, auf welchen eine Lichtreflektion wie die Sonne an einem grauen Himmel strahlt. Jenseits der Darstellung repräsentiert hier die einfache Komposition, zusammengestellt aus Rahmen und Lichtblitz als Punktum, eine Landschaft in ihrer einfachsten Form: eine Fläche, die von einer Lichtquelle beschienen wird. Das Grau bildet eine Projektionsfläche, auf welcher eigene Imagination und Fernsehausstrahlung gleichzeitig auftreffen. Innerhalb des Rahmens stellen wir uns eine Traumwelt vor, wie sie uns medial vermittelt wird und die Sehnsucht weckt.
Cécile Wicks Reihe Landschaften (2013) entstand während einer Marokko-Reise der Künstlerin als sie aus einem fahrenden Fahrzeug heraus einen Berg fotografierte. Die Fahrt lässt Büsche und Geröll im Bildvordergund, unmittelbar an der Strasse, verschwimmen, während der ferne Gipfel scheinbar unverrückbar in allen drei Fotografien die Stellung hält. Aus dem Kontext der Diskussion um die Rolle der Fotografie in der Kolonialgeschichte – als Werkzeug der Eroberung durch Dokumentation und Hervorhebung von Landschaft – lässt sich Wicks Arbeit als ein Widerstand des Berges gegen die Kamera lesen. Die schnelle Durchfahrt vereinheitlicht die Berge, die sonst nur durch eigene physische Präsenz tatsächlich erlebbar sind. Dagegen wirkt Alex Hüttes Beitrag Einsiedlerzimmer, Zunfthaus zur Meisen, Zürich, 2021, mit der abstrakten Ruhe historischer Herrenzimmer. Die farblich invertierte Fotografie auf Spiegelfolie unterstreicht durch die Falschfarben die Besonderheiten des Raumes. Der prominente Kachelofen im Zentrum des Bildes, die Ranken an den vergoldeten Türen beidseitig des Ofens sowie an der Decke verwandeln sich von der sonst romantischen Dekoration der Geometrie des Raumes in abstrakte Formen, die die Künstlichkeit ihrer Darstellung verraten: die selektive Wahrnehmung und Darstellung von Flora und Fauna in der Kunst- und Architekturgeschichte war schon immer eine Strategie der Aneignung von Heim und Reich.
Neben der vielen weiteren Künstler*innen der Ausstellung, wie etwa Uwe Wittwer oder Monica Ursina Jäger, stechen aber zwei Arbeiten hervor, deren Einbezug in der Ausstellung mehr Fragen aufwirft als klärt. So bewegt sich Walter Pfeiffers unbetitelte Fotografie (2004/2013) irgendwo zwischen Modestrecke und Portrait, ohne selbstständig über ihren Bezug zu Heim oder Landschaft zu kommunizieren: eine Fotografie einer Rückansicht eines nackten Mannes lehnt an einem Stillleben. Dass das Bild möglicherweise in einem Innenraum aufgenommen wurde reicht aber bisweilen nicht, um von einem Interieur oder gar Heim zu sprechen. Weswegen es sich gelohnt hätte, statt auf den Namen des Künstlers auf die Fotografie zu achten.
Auch bei den Strassenfotografien von Menschen von Beat Streuli bleibt unklar, wie ihre Ausstellung zu begründen ist. Die Reihe Zürich Hauptbahnhof 07-08, 2009, zeigt Aufnahmen von Menschen am Zürcher Hauptbahnhof, die unwissend durch ein Teleobjektiv fotografiert wurden. Die sozio-psychologisch wertvollen Fotografien haben aber kaum Bezug zu den in der Ausstellung aufgeworfenen Fragen zu Landschaft und Interieur. Als einziger Vertreter von so etwas wie einem «Cityscape», wie er im Titel angekündigt wird, fehlt leider ein Kontext, in welchem sich diese Quasi-Portraits von Individuen vollends entfalten könnten: sie stehen Quer im Raum.
Als über 70-jährige Institution der Zürcher Kunstszene betrachtet Edition VFO in dieser Ausstellung ihre eigene, jüngere Geschichte in einem neuen Licht. Damit bietet sie einerseits einen Überblick über die verschiedenen Generationen des künstlerischen Schaffens in Zürich, ohne jedoch in die Fallen der sozialen Dynamik der Stadt zu fallen, die sonst über den Ausstellungszyklus unabhängiger Kunsträume herrschen. Trotz kuratorischer Ungenauigkeiten überzeugt die Ausstellung in ihrer Frage nach der Erfahrung unserer Umwelt anhand des eigenen Fundus. Und zeigt damit das Besondere in der zürcher Kunstlandschaft.
On Photography: Landscape, Cityscape, Interior, Edition VFO, Verena–Conzett–Strasse 7, 8004 Zürich
11. Juni – 07. August 2021
Bilder: Courtesy die Künstler*innen & VFO