[Kunsthalle Zürich disclaimer: Giulia Bernardi schreibt über eine Ausstellung der Kunsthalle Zürich]
Es ist die Collage einer Collage einer Collage. So wie die Bilder in diesem Raum schichten sich meine Gefühle, kann sie nicht genau auseinanderhalten, weiss nicht, was davor und was danach kam, überlagert von einer Atmosphäre, die irgendwie schrecklich und irgendwie komisch ist, düster und festlich, tragisch gefallener Glamour, der an den Wänden als schwarze und violette Lametta herunterhängt. Ich höre Rap-Musik, habe Lust zu tanzen. Ja, tanzen. Wieso nicht tanzen? Vielleicht mit diesen menschenleeren Silhouetten, die Haute-Couture tragen, mit collagierten Identitäten versehen wurden, mit Fotografien von Gesichtern und Landschaften und Accessoires, mit Bildern von Bildern, die irgendwo herausgerissen, irgendwie zusammengeklebt wurden, die Figuren nun mit neuem Sinn schmücken, wie der Weihnachtsbaum an Weihnachten. Auf ein neues Jahr.
Vielleicht stehen die Figuren für etwas, vielleicht stehen sie für nichts. Vielleicht spielt es keine Rolle. Vielleicht spielt es keine Rolle, ob ich tanze oder nachdenke, ob ich lache oder weine oder alles zusammen. Also gehe ich in diesem entleerten Raum umher, fühle mich vom Bass getrieben, der meinen Schritten den Takt vorgibt, währenddessen ich mich seltsam gelähmt fühle. Hier ist noch alles möglich. Es ist die Collage einer Collage einer Collage.
Und dann ist da noch Maria. Oder Callas. Oder beide? Person X in verschiedenen Filmausschnitten von Auftritten und Interviews, in denen sie von ihrem Leben erzählt, von den guten und schlechten Zeiten, von Liebesrausch und gebrochenen Herzen, von Höhe und Fall und hohen Fallhöhen.
Ich höre ihre Stimme, dann wieder Musik, die sich darüberlegt, sie nicht ausreden lässt. Was hat sie nochmal gesagt? Vielleicht spielt es keine Rolle, ist es doch gar nicht sie, die erzählt, sondern irgendjemand anderes, der ihre Worte auseinandernimmt, neu zusammenklebt, wieder auseinanderreisst und erneut zusammenklebt, ihre schon geknickten Ecken, so, als wären sie Papier. Bis es passt. Doch, jetzt passt es, jetzt ist es spannend. Film ab. Film ab für ein neues Narrativ, eine neue Callas – oder eine neue Maria, wie sie Callas nie gekannt hat. Oder eine neue Callas, wie sie Maria nie gekannt hat. Oder vielleicht beides oder vielleicht nichts davon. Hier ist noch alles möglich, es ist die Collage einer Collage einer Collage.
Jacqueline Fraser, Kunsthalle Zürich
11. Dezember 2020–2. Mai 2021
Bilder: Annik Wetter