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Haim Steinbach

Once Again The World Is Flat

24.05.–17.08.2014

Die umfassende Ausstellung in der Kunsthalle Zürich präsentiert das Werk von Haim Steinbach (geboren 1944 in Israel, lebt und arbeitet in New York) von den frühen 1970er Jahren bis heute, mit einem Schwerpunkt auf seinem kontextuellen Umgang mit Objekten. Ausgehend von der Frage nach dem quadratischen Rahmen, wie sie Steinbachs Gemälde der 1970er Jahre aufwerfen, entwickelte sich sein künstlerisches Werk in Richtung architektonischer Inszenierungen. In Fort-führung der Ausstellung am Center for Curatorial Studies, Bard Hessel Museum (Annandale-on-Hudson, New York, 2013), mit dem die Kunsthalle Zürich diese Ausstellung in Kollaboration ent-wickelt hat, und einer weiteren Station der Schau in den Serpentine Galleries (London, 2014), in-tegriert Haim Steinbach Exponate lokaler Sammlungen in seine „Displays“. Für die Kunsthalle Zürich wurden spezielle Leihgaben aus Zürcher Kunstsammlungen ausgewählt.

In einem Gespräch mit den jeweiligen Kurator/innen der Ausstellung, erklärt Haim Steinbach:

„Unsere Wahrnehmung von Realität, Objekte eingeschlossen, ändert sich mit jeder Epoche, mit jeder Zeit und ihrem Kontext. Wir sprechen von Generationswechseln oder Generationskonflikt etc. Aber die Wahrnehmung von Objekten hat auch damit zu tun, wie wir unsere Bedürfnisse und ideologischen Vorurteile und unseren Glauben auf sie projizieren.“

Durch Zufall entdeckte Haim Steinbach etwa 1975 das Regal als ein Raum für das Spiel von Objekten. Es führte ihn zu einem Verständnis von „Display“, das Objekte mitsamt ihrem Kontext beinhaltet. Im Jahr 1979 wurde Display #7 im New Yorker Artists Space gezeigt. Das Regal umgibt uns in unserem täglichen Leben; Zuhause, in Geschäften, am Arbeitsplatz. Wo immer etwas materiell aufbewahrt oder hergezeigt wird, strukturiert das Regal einen Raum – und wird dabei selbst unsichtbar. Auch keine kulturelle oder soziale Einrichtung, die sich dem Sammeln und Zeigen bestimmter Objekte widmet, kommt ohne sie aus.

„Die Wand wurde der primäre Ort für mich, physische, bereits existierende Objekte zu präsentieren. Und in diesem Sinne ist es das Regal, das an die Wand gehängt wird und auf dem dann die Objekte arrangiert werden. Aber wenn Objekte auf einem Regal an einer Wand arrangiert werden, dann kommen auch Fragen auf wie: Was ist eine Wand? Was ist ein Regal? Aus welcher Kultur kommt es? Und wie unterscheiden sich Kulturen anhand von Wänden?“

Über seine übliche Funktion hinaus, ist das Regal für Steinbach ein Konzept, das die Struktur von Objekten verzeichnet. Es ist eine Vorrichtung, gleich einem Massstab. Im Werk Steinbachs entwickelt es sich vom minimalen, handelsüblichen Baumarkt-Brett bis zum handgefertigten Regal, das auf verschiedene kulturelle Traditionen von volkstümlichen Objekten und Kunsthandwerk sowie auf verschiedene historische Epochen und Stile verweist. Wir betrachten diese Dinge in Steinbachs Arrangements daher auf unterschiedliche Weise: als Bühne und zugleich als Requisit persönlicher Erzählungen, aber auch als Ausstellungsrahmen an einer Wand. So werden sie Elemente eines grösseren Ausstellungsarrangements, das Wände und Böden des Raumes sowie Besucherinnen und Besucher mit einschliesst.

Die Kunst von Haim Steinbach spielt eine wesentliche Rolle im zeitgenössischen Kunstdiskurs um das Objekt. Ausgehend von der Minimal Art, der Pop Art, der Performance- und der Konzeptkunst entwickelten sich Steinbachs Ideen in Richtung eines neuen Paradigmas für Objekte und ihre Orte. Seine Kunst verbindet wichtige Elemente jener Kunstformen und setzt neue Schwerpunkte im Spannungsfeld von Kunst und Alltag, Produktion und Konsum, sowie den Beziehungen zwischen Bild, Objekt und Raum. Auf der Grundlage seiner Beschäftigung mit den architektonischen aber auch lokalen, kulturellen Besonderheiten des Ausstellungsraums, entwirft Steinbach spezifische Präsentationsformate. Diese Formate beinhalten bestehende, entliehene oder gekaufte Gebrauchsgegenstände des Alltags. Der Einbezug von Werken anderer privater und öffentlicher, sowie kunsthistorischer und alltagskultureller Sammlungen ist für dieses Verfahren zentral. Es verbindet Rituale des Sammelns und von Sammlungen mit Fragen des Gemeinguts und von Gemeinschaft und schreibt sich so in den gegenwärtigen Paradigmenwechsel von Kunst und ihrer interdisziplinären Bezugsrahmen ein.

Während die Gegenstände selbst unverändert übernommen werden, ist es die Anordnung und Präsentation, die ihre Realität anerkennt und damit die besonderen Geschichten und Herstellungsweisen betont – vom massenproduzierten Produkt bis zum einzigartigen Flohmarktfund.

„Am wichtigsten ist, dass alle diese Objekte Teil unserer Welt sind. Sie sind Teil unserer Sprache. Und sie greifen ineinander. Ein massenproduziertes Ding existiert neben etwas, dass Dein Kind in der ersten oder zweiten Klasse gerade aus Holz gebastelt hat. Oder ein massenproduziertes Ding existiert neben einer Schale Oliven, die es imitiert, die es ist. Die Natur wiederholt sich. Und alle diese Dinge beginnen in Beziehung zueinander zu treten.“

Unsere Wahrnehmung der Welt hat sich grundlegend geändert. In einer Art Umkehrung der kopernikanischen Wende – dem Durchbruch eines räumlichen planetarischen Denkens – versetzt uns die digitale Zirkulation von Information, von Bildern, Worten und Zeichen, in eine neue Flachheit.

„Am Anfang bemalten die Maler die Wände ihrer Höhlen, später die Wände der Kathedralen. Noch später malten sie mit Ölfarbe auf Leinwand; das Gemälde war wie eine Wand, die bewegt und an einem anderen Ort platziert werden konnte. Es geht also um die Projektion von Vorstellungen in den sozialen, kulturellen und architektonischen Raum.“

Nicht zufällig kommt hier die Malerei als ausschlaggebende Referenz zur Sprache: Steinbachs künstlerisches Schaffen begann Mitte der 1970er Jahre mit minimalistischen Gemälden, in denen er die Grenzen und Codes einer reduzierten Bildsprache austestete. Die berechnete Platzierung von farbigen Balken um monochrome Quadrate setzte er in direkten Bezug zur alltäglichen Objektwelt – von Brettspielen bis zu gefundenen Bodenbelägen. So wie das Objekt der Grund des Regals überhaupt ist; so wie Hintergrund und Vordergrund ständig interagieren. Wenn also die Malerei als Erweiterung einer Wand verstanden werden kann, was ist ihr Status als Objekt? Und wenn dem Regal eine vermittlerische, also mediale Funktion in der Präsentation von Dingen als Arrangement im Raum zukommt, was sind seine Konsequenzen für unser Verständnis und unsere Wertschätzung des Spiels von Objekten?

„Es fasziniert mich, wie ein Objekt in unsere Erinnerung eingeht, wie es ‚Gestalt’ annimmt, zum Bild wird oder jetzt in unseren Gehirnen digitalisiert. Wie sehen wir die Dinge wirklich? Hat nicht Beethoven seine Neunte Symphonie komponiert, als er taub war? Der Bildschirm ist in Wirklichkeit ein Fortsatz unseres Gehirns und unseres Inneren. Das Objekt und der Bildschirm, der Körper und die Pille, ‚strawberry fields’.“

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