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Reading Rämistrasse #135: Rebecka Domig zu Augustin Rebetez bei Nicola von Senger - Akademie - Kunsthalle Zürich
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Reading Rämistrasse #135: Rebecka Domig zu Augustin Rebetez bei Nicola von Senger

Nicola von Senger ist diese Tage zum Teppichhändler geworden. Seit dem 17. November zeigt er in seiner Galerie insgesamt 17 Teppiche von Augustin Rebetez, dicht an dicht gehängt und gelegt. Augustin Rebetez – der Name poppt in letzter Zeit auf wie die Cookie-Warnung beim Website-Besuch – hat ein starkes Jahr hinter sich, nicht zuletzt dank seiner viel beachteten Einzelausstellung Vitamin im Aargauer Kunsthaus. Aktuell zeigt das Kunstmuseum Thun den Kurzfilm Happy Monkey aus der Reihe The Adventures of Mr. Skeleton, die Rebetez zusammen mit Martin Zimmermann realisiert. Rebetez pflegt ein breit gefächertes Œuvre, das längst über die üblichen Kategorien der bildenden Künste hinausreicht. Unter dem Label Rapace publiziert Rebetez Bücher (seine eigenen und andere), macht Musik (zusammen mit Pia Achternkamp und Lorena Stadelmann als CHRUCH; mit Pascal Lopinat als Gängstgäng) und bietet gar Merchandise-Artikel an (Socken! T-Shirts! Hoodies!).

Und nun also handgeknüpfte marokkanische Wollteppiche, als Kelim oder im Stil der Beni Ouarain. Rebet’z Carpets löst bei mir erstmal einen Drang zur Klassifizierung aus. Handelt es sich hierbei um Design oder Kunst? Der Preis und die Editionszahl (1+1 AP) legen Zweiteres nahe. Auch wenn die Stücke unter seinem Namen verkauft werden, so räumt Rebetez den Produzentinnen der Teppiche (es handelt sich ausschliesslich um Frauen) Platz ein und zeigt auf Fotografien in der Werkliste, wie die Kunsthandwerkerinnen die fertigen Stücke in freier Natur stolz präsentieren. Schade, dass die Namen der Frauen nicht überliefert sind. Nicola von Senger betont, wie eng der Künstler mit den Macherinnen zusammengearbeitet hat. Er sei selbst vor Ort gewesen und habe mit den Menschen gesprochen; alle Teppiche entstanden aufgrund von Rebetez’ Zeichnungen und unter seiner Aufsicht. Die Frage der künstlerischen Authentizität wird vorauseilend beantwortet, dabei hatte ich sie gar nicht gestellt. Darüber denke ich eine Weile nach, entscheide dann aber, dass es in diesem Gespräch um etwas anderes ging, denn: Man sollte den Wert einer guten Geschichte für ein erfolgreiches Verkaufsgeschäft nie unterschätzen.

Herstellerinnen von einem Augustin Rebetez Teppich mit dem fertigen Produkt

Mein initialer Impuls zur Klassifizierung entlarvt sich indessen als unreflektierte Bewertung der Ausdrucksformen. Rein visuell geben die Teppiche nämlich viel her. Mit ihren gedeckten Farben und den krakeligen Zeichen und Symbolen sind sie eine organische Weiterentwicklung im Werk von Rebetez. Einen ersten Auftritt hatten sie schon in der Ausstellung in Aarau, wo sie sich inmitten von Installationen, Filmen, Malereien und Zeichnungen camouflageartig bedeckt hielten. Sehr schön ist ein weisser Flauschteppich, in dem die schwarzen Vogelfiguren von Rebetez in einem ornamentalem Dessin aufgehen oder ein dicht geknüpfter karminroter Kelim, der bei genauerer Betrachtung kein traditionelles Muster aufweist, sondern eigenartige schwarze Formen die feingliedrig zerfliessen. Auf einem grossen weissen Teppich erstreckt sich über die gesamte Fläche ein dunkles Rautenmuster, das durch Symbole und Zeichnungen ergänzt wird. Rot, schwarz und weiss sind Blitze, Flammen, Giftflaschen, Herzen, Kreuze und Pfeile eingestickt. Der Teppich sieht aus wie bekritzelt, aber nicht etwa zufällig: Es ist die unverkennbare Zeichensprache von Rebetez, die hier ausgebreitet wird. Am Teppichrand steht YALA geschrieben, in Anlehnung an den arabischen Begriff «Yallah!». Man hört den Ausruf förmlich, laut und drängend, und nimmt es dem Künstler in seiner Hyper-Produktivität sofort ab, dass es vorwärts gehen soll und schnell.

Rebet’z Carpets, Galerie Nicola von Senger, bis 17. November 2023–17. Februar 2024

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