Elmgreen & Dragset
Taking Place
Michael Elmgreen (Dänemark, 1961) und Ingar Dragset (Norwegen, 1969) arbeiten seit 1995 zusammen. Sie untersuchen in ihrer Arbeit, die Performances, Objekte und Installationen umfasst, soziokulturelle Strukturen, die sich in Kunst und Gesellschaft manifestieren. Seit 1997 entwickeln sie die fortlaufend numerierte Werkserie "Powerless Structures“, die die scheinbare Neutralität eines minimalistischen Formenvokabulars In Architektur und Kunst und die Neutralität der Farbe Weiss benutzt. Der "White Cube", der neutrale aber zugleich hochgradig ideologisch aufgeladene institutionalisierte Container für Kunst steht dabei im Zentrum ihres Interesse – weil sie "Künstler“ sind, und weil dieser folglich der ihnen zugeschriebene öffentliche Raum gesellschaftlicher Präsenz darstellt. Ihre räumlichen Strukturen und Objekte decken die inhaltlichen Blindstellen der - Zuschreibung seiner formalen Autonomie und Neutralität listig auf, indem sie sexuelle und paradoxe Elemente einführen oder die Gegensatzpaare innen/aussen, privat/öffentlich als sich nicht ideologisch gegenüberstehende, sondern als Inhalte in Bewegung aufscheinen lassen. Ihr Interesse richten sich dabei nicht so sehr auf das “Gebäude" an sich, sondern auf den Prozess des Bauens als Prozess der Entwicklung von Bedeutung und Diskussion der Prämissen sowohl für Künstlerinnen und Künstler wie für Benutzerinnen und Benutzer.
Mit ihren auf den "White Cube" bezogenen Arbeiten stehen Elmgreen & Dragset in einer langen Tradition der Auseinandersetzung von Künstlerinnen und Künstlern mit den Prämissen der Kunst und der Kunstrezeption, die von Marcel Duchamps Kontextverschiebung von Objekten über die kritischen, die Institution der Kunst revolutionierenden und aus dem Museum herausdrängenden Ansätzen der sechziger und siebziger Jahre - Robert Barry, Daniel Buren, Michael Asher, Dan Graham sind nur einlge der wichtigen Namen – zu den wiederum in der Institution angesiedelten Ansätzen der Kontextkunst und der Institutionellen Kritik der späten achtziger und der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts führt. 1976 hat der Künstler und Theoretiker Brian O'Doherty in einem umfassenden Essay die gesellschaftliche "Ortlosigkeit" und die Erhebung des "White Cube" als leere weisse Zelle zur eigentlichen Ikone des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal umfassend reflektiert und kritisiert, eine theoretische Niederlegung, die auch heute noch wichtige Ansatzpunkte der Diskussion bietet.
Michael Elmgreen & Ingar Dragset führen die Fragestellungen um den Ort der Kunst weiter, indem sie wieder und anders nach den Bedingungen der Kunstorte als öffentliche Orte fragen. Sie fragen nach den heterogenen aber immer wieder spezifischen gesellschaftlichen Realitäten, die den neutralen Raum einnehmen und stellen den Gebrauch durch das Individuum ins Zentrum: Wer benutzt welche Räume unter welchen Bedingungen und warum. Ihre Arbeit verbindet folgerichtig performative Aspekte mit der Präsentation von Objekten, die ihre Qualität als performative Strukturen entwickeln. "Powerless Structure, Fig. 55, Cruising Pavilion" (1998) ist ein weisser Container, den sie in einem öffentlichen Park in Aarhus zum Gebrauch aufstellten. Seine labyrinthische Innenraumstruktur gibt einzelne Räume vor, deren Wände aber von Löchern durchbrochen sind. Das als minimalistische "Skulptur" wahrnehmbare Objekt wurde gezielt in einer Gegend platziert, die als Treffpunkt homosexueller Paare Oder Partnersuchenden bekannt ist, was zu elner Kollision von Form und Inhalt und beim zweiten Versuch einer Installation anlässlich einer Ausstellung des Witte de With Museums in diesem Jahr zum Verbot der Installation führte. Die "Powerless Structure, Fig. 88" (2000) ist ein White Cube, den sie anlässlich der Manifesta 3 im Museum of Modern Art in Ljubljana in einer Gruppenausstellung realisierten. Sie stellten ihr Ausstellungsexponat jungen Kuratorinnen und Kuratoren aus Ljubljana als Galerieraum zur Verfügung und thematisierten so Fragen nach Auswahl und Markt im Kunstbetrieb und das Zusammenspiel von hoch profilierten intemationalen Gruppenausstellungen und fehlenden kommerziellen Strukturen für die Kunst vor Ort. "Powerless Structure, Fig. 111" (2000) war die kontinuierliche Renovation der Ausstellungsräume der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig, in der 35 weisse Farbaufträge durch zwei arbeitslose Flachmaler als Bereitstellung der Galerieräume für die nächste Ausstellung dazu führten, dass sie eigentlich erst renovierungsbedürftig wurden. Die Ausstellung zeigte aber auch, was sonst von den Bedingungen zur Präsentation von Kunst nicht zu sehen ist.
Immer zielen Michael Elmgreen & Ingar Dragsets Arbeiten auf eine komplexe, humorvolle aber nicht ironische Kontamination gängiger Theorien, ideologischer Richtigkeit und bestehender Kategorien. Sie sind nicht Anti-Kunst oder Auflösung der Kunst, sondern sie stellen die Räume der Kunst in den gleichen existentiellen Lebensraum der Nutzung, wie die Räume des Alltags.
"Taking Place", ihr Projekt für die Kunsthalle Zürich, stellt wiederum einen Prozess ins Zentrum: Sie verwandeln die Kunsthalle in eine Baustelle, die die Arbeit an einer "permanenten Installation" der beiden Künstler als zukünftige Display-Situation der Kunsthalle darstellt. In "Taking Place" wird der Raum der Kunst als temporäres Werk offengelegt, das sich ereignet und dann formuliert als spezifische Platzschaffung für die Präsentation von Kunst. Während der gesamten Ausstellungsdauer öffnen sie dem Publikum die Tore für das “Hinter-den-Kulissen". Sie zeigen die Umlagerung der Büros, den Abriss und Aufbau von Wänden, die Detailarbeiten, den schwebenden Zustand der Re-Organisation der Bereiche von nichtöffentlichen Räumen der Administration von Kunst und dem öffentlichem Raum der Kunstpräsentation, bevor er sich wieder als solcher zur Verfügung stellt. Das Projekt umfasst einen lange angelegten Diskurs über den Gebrauch der Kunsthalle für die vielfältigen Anforderungen, die Kunsträume heute für Ausstellungen zur Verfügung stellen sollten, eine Auseinandersetzung über Fragen danach, wie der Gebrauch von Räumen seine Form mit konstituieren kann und das, was Repräsentation von Objekten in Räumen bedeutet. Als Künstler stellen sie ihre Einzelausstellung, ihre Repräsentationszeit im Museum, dem Ort der Kunst selbst zur Verfügung, und sprechen dabei auch von der Bedeutung arbeitender Individuen und Körper, vielfältigster Fachkompetenzen und einem offenen Prozess der Formulierung von Kunst.