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Richard Prince

Paintings

02.02.–01.04.2002

Der 1949 in der Panama Kanal Zone geborene amerikanische Künstler Richard Prince gehört seit Ende der siebziger Jahre zu den wohl einflussreichsten Künstlerpersönlichkeiten. Von seinem breit angelegten Werk in Fotografien, Gemälden, Objekten, Zeichnungen und literarischen Fiktionen, die ein Sammelbecken der Aneignung und Wiederholung von Bildwelten und kollektiv trivialen Mythen der westlichen, insbesondere der amerikanischen Alltagskultur sind, wurden vor allem aber seine fotografischen Adaptionen bekannter Werbebilder wie etwa die 'Cowboys oder die Fotos der 'Girlfriends' aus Motorradmagazinen bekannt.

Seit Mitte der achtziger Jahre aber entwickelt Richard Prince zentriert um den Witz, einer weiteren typologischen Erscheinung sozialen Kanons und kollektiver Normalitätsvorstellungen, ein umfangreiches und bedeutendes malerisches Werk. Die Ausstellung in der Kunsthalle Zürich zeigt zum ersten Mal in einer Institution nun einen Überblick über das malerische Schaffen des Künstlers von 1985 bis heute.

Richard Prince hat exemplarisch für die erste Generation, die mit der Allgegenwart der Massenmedien und des Konsumismus aufgewachsen ist, entscheidende Standards gesetzt: Diese betreffen unser Verhältnis zu Authentizität und Original, zu kollektiver und subjektiver Identität, sie betreffen die Collage des modernen Subjektes aus den unzähligen öffentlichen Bildern der Verführung und des Begehrens, die laut Prince als Fiktionen das eigentlich Faktische unserer Wirklichkeit darstellen. Und sie betreffen die Rolle der Kunst als ein paralleles Bildarchiv, das als weitere 'Social Science Fiction' dieses Faktische in einem Doppelsalto vielleicht zur Reflexion zu verführen vermag.

Der Sammler Richard Prince macht aus einem allgemeinen und allen zugänglichen Repertoire persönlichen Besitz. Er sammelt Bilder, die die Schnittstelle kollektiver und subjektiver Erfahrung aufscheinen lassen; Bilder, die Identität, Konvention und Normalität als Abgründe auf dem Hintergrund kommerzieller und konventioneller Oberflächen abbilden. Folgerichtig findet man bei Prince deshalb nicht den Glamour der Konsumwelt wie in der Pop-Art, sondern Bilder, die die Mythen sowohl der 'Volkskultur' wie der 'Hochkultur' zu einer sozusagen gemeinsamen Subkultur des Glaubens an individuelle Freiheit und aufgeklärte Kritik irritierend verschmelzen.

Während Richard Prince für seine Fotografien im Bereich der Trivialkultur bei den anonymen Bildern aus Werbung und Magazinen ansetzt, behandelt er 'Malerei' von den Mythen der Hochkultur aus. Auch hier bedient er sich bestehenden Materials, eignet sich Witze und Cartoons an, die meist von Kultstatus innehabenden Autoren und Zeichnern für das Umfeld kultivierter Magazine wie etwa den New Yorker kreiert wurden und die spottende Kritik ventilieren an dem, was sie eigentlich als Werte festigen. Die Witze, die Prince sich gewählt hat, sind von einer gewissen Miefigkeit gesellschaftlicher Konvention befallen. Sie beschäftigen sich mit den Beziehungen von Männern und Frauen und speisen sich aus den wechselseitigen Vorurteilen. Sie ignorieren Entwicklungen wie die sexuelle Revolution, die Emanzipation der Frau und gesellschaftlicher Minderheiten, die sich seit den '60er Jahren abzeichnen und bringen so in einer Stimmungslage der mythologischen Verfallsdimension westlicher Kultur, immer noch wirkende oder vielleicht gerade wieder aktuelle Richtgrössen gesellschaftlicher Realität an die Oberfläche.

Prince verwendet die immer wieder gleichen Phrasen seines Witzerepertoires als Kalauer für unzählige Gemälde, die sich die Malereigeschichte seit den fünfziger Jahren listig unter den Nagel reisst und in eine ebenso miefige Stimmungslage versetzt. Ein Stammtischgeschwätz aus Reproduktionen, Witzen, Schlagzeilen, Geschichten und Malerei... Der Witz als die Signatur des Malers Richard Prince, signiert die Malerei als Witz.

Die zähe, sich nur in kleinsten Verschiebungen realisierende Veränderung der 'sozialen Fiktionen' reflektiert Prince in zugleich obsessiven wie gleichmütigen Wiederholungen und Permutationen von sprachlichem und bildlichem Material. Je nach kollektiver Gestimmtheit der Gegenwart, die sich meist unmittelbar in der Werbung, im Konsumverhalten, in der öffentlichen Kommunikation formuliert, lässt er einen anderen bekannten malerischen 'Stil' auftreten. Von den frühen Witzbildern, die handgezeichnet mit künstlerischer Authentizität aber auch mit der Widersprüchlichkeit von Bild- und Textinformation spielen, spannt sich das Erscheinungsvokabular seiner Bilder über monochromfarbige Siebdruck-Jokes, die sich die Wirkung der abstrakten Kunst wählen, über an Rauschenberg erinnernde Combine Paintings, in denen nahtlose Collagen unterschiedlichster Bildgenres durchgeführt werden, bis zu malerisch expressiven Formen, Art Brut und der abstrakt-expressionistischen Malweise und den Formaten seiner neuesten Bilder.

Zur Malerei rechnet Richard Prince auch Objekte, die den Bogen zu seinen Fotografien der fetischisierten Trivialkultur spannen, aber auch die all seinen Arbeiten zugrundeliegende Frage nach dem Verhältnis subjektiver und kollektiver Fiktionen stellen: Die kitschig-bourgeoise Kreativität selbstgemachter Blumenbehälter aus Lastwagenreifen oder Flip-Flop Sandalen sind in Polysterharz gegossen und aufs Podest gestellt. Und dem Traum jedes Autofreaks durch ein bisschen Zugabe das eigene Gefährt zu identifizieren setzt Prince mit lapidarer Geste ein Denkmal: Für seine 'Hoods' bestellt er Motorhauben, wie sie in Versandkatalogen zum 'customizing' des Privatwagens angeboten werden und transformiert sie zu abstrakten Bildern, zu den Fetischen der modernen Kunst.