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Vijay Masharani

Big Casino

08.02.–25.05.2025

Text zur Ausstellung in leichter Sprache

Audio guide: Der Künstler stellt seine Ausstellung vor (EN)

Vijay Masharani (*1995, lebt in New York und Belmont, USA) arbeitet mit Video und Zeichnung. Seine Arbeiten stellen eine Verbindung zwischen kleinen Gesten und komplexen Systemen her. Sie werfen die Frage auf, welche Kräfte dazwischen wirken und was unserer Wahrnehmung entgeht, wenn wir uns ausschliesslich auf Details fokussieren oder nur das grosse Ganze betrachten. Mit Mustern, die einem ständigen Wandel unterliegen, unternimmt Masharani den Versuch, dieses Wechselspiel zu analysieren und hebt dabei das Unvorhersehbare im Verlauf seiner Kompositionen hervor: innerhalb der Dauer eines Videos oder über den Produktionszeitraum einer Zeichnungsserie hinweg.

Seine Videos entstehen nicht aus einer festen Vorplanung heraus, sondern entwickeln sich als Montagen aus zuvor aufgenommenem, handgezeichnetem und digital erzeugtem Material, das er kontinuierlich sammelt. Die Nachbearbeitung ist für ihn ein bedeutsamer Eingriff, denn er betrachtet jedes Medienfragment als potenziell wiederverwendbar. Um sie miteinander zu kombinieren, kürzt, verzerrt und dehnt er diese Fragmente und fügt sie zu Loops zusammen, in denen die Spuren seiner Eingriffe immer ablesbar sind. Seine Videos, die auf Wiederholung und allmählicher Transformation basieren, verwenden Techniken, die an experimentelle Musikproduktion und nicht-narratives Kino erinnern. Oft bleibt dabei ein zentrales visuelles Element im Fokus der Kamera, um das sich die gesamte Welt zu drehen scheint. Als Abbild unserer Wahrnehmung von dieser Welt verweisen die zusammengesetzten Bildelemente auf einen unsichtbaren Kosmos sozialer Abstraktion, unbewusster Gedanken und verworfener Sinneseindrücke.

​Der Künstler selbst ist dabei immer präsent: gelegentlich explizit durch einen Kameraschwenk auf sein eigenes Gesicht, manchmal subtiler durch animierte Eingriffe, die bewusst die subjektive Bearbeitung des Materials betonen. Darüber hinaus fliessen Aspekte der Biografie des Künstlers auf kodierte Weise in die Filme ein – insbesondere sein Interesse daran, wie das Durchqueren von urbanem Raum das Bewusstsein verändert, sowie auch seine jüngsten Erfahrungen mit Krankheit. Durch eine Kombination aus direkter Darstellung von individuellen Elementen in ihrer Umgebung und aus demonstrativer Transformation von Bildern und Klängen bewegt er sich zwischen dokumentarischen Modalitäten und künstlichen, abstrakten Traumlandschaften. Die Reibung zwischen Repräsentation und Abstrahierung erzeugt Effekte des Wiedererkennens oder Verkennens, von Entfremdung oder Objektivierung, vom Feststecken oder Haltlosigkeit, von Desorientierung oder übernatürlicher Klarheit.

Seine Zeichnungen entstehen häufig als aufeinanderfolgende Variationen eines Ausgangsmotivs. Vergleichbar mit den einzelnen Frames einer handgezeichneten Animation folgen die Blätter in seinen Serien einer Sequenz, die ein umfassendes Ganzes bildet, sich dabei aber einer chronologischen Logik widersetzt. Die Ergebnisse setzen sich aus bewussten Linien und gedankenverlorenen Strichen ohne figurative Absichten zusammen. Gelegentlich tauchen dabei aber gegenständliche Formen auf – in dieser Ausstellung sogar die Erde. Sie ist ein direktes Abbild einer unbestreitbaren Tatsache, welche die wenigsten in ihrer Gesamtheit mit eigenen Augen gesehen haben. Das ikonische Bild unseres Planeten ist seit seinem Eintritt in die populäre Vorstellungskraft ein Dreh- und Angelpunkt für die Ängste und Hoffnungen emanzipatorischer Politik gewesen und fungiert damit zugleich als Abstraktion und Darstellung eines schwer greifbaren Konzepts von komplexer Einheit.

Masharanis Zeichengebilde bewegen sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, stossen auf Blockaden, verzweigen sich, bilden Reservoirs und fliessen über. So fügen sie verschiedene Formen des Denkens zusammen: verändertes, diskontinuierliches, allgegenwärtiges, verstreutes, schweifendes und fokussiertes. Durch eine Reihe von Reaktionen auf Zufälligkeiten offenbaren die finalen Formationen seiner Zeichnungen, dass sie von Gesten abhängen: Eine anfängliche Markierung, eine kompositorische Entscheidung oder ein Collage-Element strukturiert das Schicksal der darauffolgenden Schritte und letztlich das gesamte Werk. Abstraktion dient somit auch als Sprache, um künstlerische Praxis im Allgemeinen zu verstehen. Die Zeichnungen entstehen parallel zu Masharanis Videoproduktionen und wirken als treibende Kraft seiner Praxis. Sie fangen unterschiedliche Zustände von künstlerischer Konzentration ein und halten diese fest.

Indem er zwischen genauer Betrachtung und einem umfassenderen Blickfeld hin und her wechselt, stellt er sich in seinen beinahe meditativen Arbeiten stets die Frage: Was habe ich da vor mir? Diese Fragestellung entspringt dem Wunsch, das Zusammenspiel von Intuition und Überlegung zu untersuchen. Für seine erste institutionelle Einzelausstellung zeigt Masharani Werke, die den Weg einer umherschweifenden Praxis nachzeichnen. Sein spielerischer Umgang mit Permutation und Transformation verdeutlicht das Potenzial dieser Dynamiken, dass sich Strukturen entwickeln und verändern können.


Die Ausstellung ist kuratiert von Otto Bonnen

Mit besonderem Dank an Kiko Aebi, Sam Agnew, Cato Bonnen, Henry Bradley, Clarissa Grechi, Mara Hassan, Jason Hirata, Sanjana Iyer, Francesco Lecci, Zoey Lubitz, Hansha, Nisha and Umesh Masharani, Park McArthur, Kaveh Motamed, Tausif Noor, Rose Spanbock, Maggie Szabo, Vanessa Thill, Will Thompson, Carmen Tobler, Jessica Wilson und das gesamte Team der Kunsthalle Zürich.

Presseinformationen

Für Bildanfragen, Informationen zum Ausstellungsprogramm und Interviews kontaktieren Sie bitte Aoife Rosenmeyer: presse [​at​] kunsthallezurich.ch oder +41 (0)44 272 15 15