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Oliver Payne & Nick Relph

17.04.–30.05.2004

Oliver Payne (1977) und Nick Relph (1979) bezeichnen sich als „zwei Jungs aus West-London, die gerne Filme zusammen machen“. Seit 1999 sind fünf Filme entstanden, die mit erregten Bildern, Texten und Sounds von der Diskrepanz zwischen innerem Erleben und äusserer Realität am Beispiel des Lebens in unseren Grossstädten und angesichts sozialer Kontrollen handeln. In ihrer Ausstellung in der Kunsthalle Zürich zeigen Oliver Payne & Nick Relph ihren ersten Film «Driftwood» (1999) und ihren neuesten Film «Gentlemen» (2003). Beide Filme sind in ihrer Heimatstadt London angesiedelt, können aber für jede andere Grossstadt und das Verhältnis des Individuums zum öffentlichen Raum allgemein stehen.
Anlässlich des Vortrages von Gregor Muir (Tate Modern, London) am 30. Mai werden ihre drei weiteren Filme «House and Garage» (2000) und «Jungle» (2001), die zusammen mit «Driftwood» die Trilogie «The Essential Selection» bilden, und «Mixtape» (2002) in einem einmaligen Screening vorgestellt.

Oliver Payne & Nick Relphs filmische Erzählungen sind geprägt von der Energie und der emotionalen Aufgewühltheit Jugendlicher am Übergang zum Erwachsenwerden. Geboren inmitten der Punk-Bewegung transportieren ihre Filme sowohl Elemente dieser gesellschaftskritischen, nervösen wie aufständischen Energie als auch eine Kritik am L’Art pour L’Art, einer formalistischen und nicht an der Realität orientierten Kunst. Ihre am Dokumentarfilm wie auch am Avantgardefilm geschulten Filme verweben bekannte Genres zu einer eigenständigen Bildsprache, die geprägt ist von Schnelligkeit und Rhythmus und einer Erregtheit der Bilder und Inhalte. Eng verbunden mit der Graffiti-, Rave- und Skateboard-Kultur, wollen sie mit ihren Filmen die Erfahrung eines «visuellen Raves im Kino» kreieren.

«Driftwood» (1999) ist eine Hommage der beiden Künstler an den Film «London» (1994) von Patrick Keiller. Er ist eine zugleich ernsthafte, engagierte wie romantische Reise durch das heutige London, der atemlose Ritt eines Skateboarders als psychogeographische Reise durch die urbanen Landschaften von Canary Wharf, Earls Court und Mayfair. Eine Skateboard–Flanerie, die oszilliert zwischen Zoom and Panaromasicht, zwischen Faszination und Zorn, Liebe und Hass. Die Bildspur von «Driftwood» wird begleitet von einem intensiven, die Bildwelt mit kontinuierlichen Parallelbewegungen kontrastierenden Text, der Machtstrukturen, Grossfirmen-Kontrolle, ökologische Fragestellungen und politische Diskussionen des zeitgenössischen Lebens als Aufbegehren des Individuums Disziplinierungsmassnahmen des öffentlichen Raumes entgegensetzt. Die Aufnahmen des Films lassen vermuten: Nichts Lebendiges in den Strassen von London passt wirklich in das Muster, das Städteplaner und Grossfirmen als Lebensraum vorgegeben haben. Payne & Relph bezeichnen die Stadt als «groteske Verschwendung von Marmor, Stahl und sauberen Strassen», die der komischen Figur Mensch und ihren Wünschen wenig Raum lässt. Die kontinuierliche Folge von Bildern einer Stadt, die zugleich gewohnt wie ungewohnt sind, führen uns mit den Skateboardern, die sich gegen die Regeln den Stadtraum erobern, in einer Art aus dem Rahmen fallender Wahrnehmung durch die Betonwüsten und entlang alternativer Gedanken zu ihnen. Die Textspur fasst dies so zusammen: «Navigiere durch Deine Stadt auf alternativen Wegen: folge Geruch, Geräuschen, was auch immer. Wenn sich ein Begehren als physische Aktivität umsetzen lässt, musst Du die versteifenden Beschränkungen der gesellschaftlichen Ordnungen bekämpfen und nach Deinen Wünschen handeln. Zerschlage die Symbole des Empire im Namen Deines Herzens...». «Driftwood» ist eine dichte Erzählung von sozialer Kontrolle und individuellem Aufbegehren, die das Persönliche mit dem Politischen, das Utopische mit dem Realen konfrontiert.

«Gentlemen» (2002) spielt ebenfalls in London. Der Film handelt «ungefähr so, wie Driftwood von Skateboardern handelt, von öffentlichen Toiletten und von guten Manieren». Im Gegensatz zu «Driftwood» ist dieser Film geprägt von irisierend abstrakten Bildern, die die Künstler in und nahe Carnaby Street, dem Inbegriff des Swinging London, gedreht haben, einer Gegend, die nun für eine globalisierte Warenvermarktung und den Verfall städtischer Kultur durch den Tourismus steht. Durch abstrakte Welten der Untergrundtoiletten und im Close-Up aufgenommener Weihnachtsbeleuchtungen, wandern wir mit dem Protagonisten des Films durch seine in RapManier formulierte Kritik und seinen inneren Monolog. Neben den Texten begleitet den Betrachter eine Tonspur, die zwischen Morsecode und instrumentalen Schlagzeugklängen abwechselt und eine eigenartige Diskrepanz zwischen digitalen Kontrollstrukturen und dem Aufbegehren des Life-Akts ausbreitet.

Während «Driftwood» eine lineare Stream-of-Consciousness-Erzählung des Skateboard-Flaneurs entwickelt, pulsiert «Gentlemen» sowohl auf der Bild- als auch der Soundebene wie ein Gedicht, das abstrakte Bilder, verbunden durch Stimmungen und Rhythmen, zu einer Kette von Einzelereignissen verwebt.

Oliver Payne & Nick Relphs Arbeiten feiern fortwährend die Reinheit des Gefühls und geben denen eine Stimme, die den politischen und korporativen Machtgebilden widerstehen und beschliessen, ein Leben nach ihren eigenen Bedingungen zu führen. Sie setzen dazu auf die Spontaneität des Punk, aber nicht auf deren No-Future-Slogan. Ihre Arbeiten bieten eine kritische Sicht auf das, was sie in einer Mischung aus Romantik, Jugendästhetik, quasi Dokumentarischem und Kunstfilm über den urbanistischen und mythischen Komplex London, aber auch das zeitgenössische Leben generell zeigen. Eine Art «Highschool Level Existentialism» paart sich mit einem kontinuierlichen Gespräch, das die beiden Künstler führen und in Filme umsetzen – sie nennen das «power dossing» –, in den Strassen und Kommerztempeln der Städte über Gott und die Welt sinnieren oder in den neuen Kultorten städtischen Lebens wie den Starbuck-Kaffeeketten Poesie schreiben. Nach ihrer Auffassung sind diese Unorte die modernen Zentren schläfrig-aufgewühlten Widerstands: «Andy Warhol hätte dort sicher gesessen»...

Die Kunsthalle Zürich dankt: Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Maya Hoffmann
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