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John M Armleder

About Nothing. Arbeiten auf Papier 1964 – 2004

13.11.2004–09.01.2005

Mit der Ausstellung «About Nothing. Arbeiten auf Papier 1964 – 2004» stellt die Kunsthalle Zürich den Genfer Künstler John M Armleder (geboren 1948) in einer an die 500 Arbeiten auf Papier umfassenden Werkschau mit einem seiner wichtigsten Werkkomplexe vor.

Die Ausstellung bringt bis anhin noch nie gezeigte Arbeiten aus den 1960er Jahren, die sich im Besitz des Künstlers befinden, zusammen mit Arbeiten aus privatem und öffentlichem Sammlungsbesitz. Die Ausstellung entsteht in enger Zusammenarbeit mit John M Armleder, der intensiv auch an der Gestaltung der Ausstellung teilnimmt und die Installation der diversen Formate und Stile dieses ausserordentlichen Werkkomplexes mit der Gestaltung einer speziellen Tapeten zur Präsentation verbinden wird. Aus der Sammlung des Musée d'art et d'histoire in Genf erhalten wir für die Ausstellung den grössten Block an Arbeiten auf Papier, die sich in Museumsbesitz befinden, eine Gruppe von 56 Arbeiten, die in enger Zusammenarbeit mit John Armleder sukzessive für die Sammlung der Institution über die Jahre zusammengestellt wurde.

Arbeiten auf Papier stellen im Werk von John M Armleder eine Art roten Faden dar. Sie konzentrieren und verbinden das weitgestreute und immer wieder überraschende Werk des Künstlers, das Skulpturen, Gemälde und Installationen ebenso umfasst, wie seine kontinuierliche Arbeit im grafischen, verlegerischen wie Performance-Bereich. Wir möchten mit der Ausstellung diesen roten Faden und damit die Kontinuität im Werk des Künstlers sichtbar machen. Seine Arbeiten auf Papier zeigen die konsequente Entwicklung eines Künstlers, der sich in den letzten vierzig Jahren permanent erneuert hat und die wichtigen inhaltlichen wie formalen Setzungen der Kunstgeschichte dieser Zeit entscheidend mitgeprägt hat: Angefangen bei seinen fluxus-orientierten Werken über die postmodernen Ansätze seiner Neo-Suprematismus-, Neo-Geo- und Neo-Pop-Arbeiten. Gerade in einem Umfeld der "Wiederentdeckung" der Abstraktion – heute nicht als erneutes Neo-Geo, sondern als Feld subjektivierter emotionalisierter Formbeziehungen – scheint uns der Bereich von Arbeiten auf Papier und Zeichnungen eines Künstlers, der entscheidende Formulierungen zur Geschichte der Abstraktion mit seinem Werk geleistet hat, besonders wichtig. Fern von Materialdiskussionen und den Diskursen des High und Low der späten achtziger und frühen neunziger Jahre, öffnen die Arbeiten auf Papier von John M Armleder eine direkte Sicht auf seine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Kunst – im Speziellen der abstrakten Kunst – und der Frage nach den Beziehungen der Kunst zur Realität des alltäglichen und künstlerischen Tuns. Parker Williams, das langjährige Alter Ego des Künstlers, formuliert dies in einem Interview mit John M Armleder wie folgt:

Parker Williams: John M Armleder, Ihre Arbeit wurde in den letzten Jahren wieder umfassend und häufig in Ausstellungen gezeigt, was ihr eine erneute Präsenz und Sichtbarkeit verschaffte. Darüber hinaus wurde damit aber auch eine kritische Plattform für das formuliert, was an Ihrem Werk – laut vieler jüngerer Künstler und Kritiker – für die heutige Szene extrem einflussreich erscheint. Ihre Stücke erscheinen an allen möglichen Orten über die ganze Welt verstreut und in vielen Formen. Um nur einige zu nennen: Ihre Disco-Ball Installation (Global Domes, Liberty Domes) wurde sowohl im MoMA in New York als auch in der Eröffnungsausstellung des Contemporary Art Centre, entworfen von Zaha Hadid, in Cincinnati und auch in der "einleuchten" genannten Eröffnungsausstellung des Museum der Moderne in Salzburg gesichtet. Ihre wandfüllenden kinetischen Neonarbeiten waren zuerst bei Caratsch de Pury & Luxembourg in Zürich zu sehen, bevor sie an der Lyon Biennale, im Museum der Moderne in Salzburg und im GAMeC in Bergamo gezeigt wurden. Ihre neusten Wandmalereien erhielten aussergewöhnlich grosse kritische Beachtung, und sie füllen die Flächen vieler Galerien und Museen wie die des ICA Boston, des Mamac in Nizza, des ICA in Sydney, des Palais de Tokyo in Paris, des Le Magasin de Grenoble oder nochmals des MoMA in New York. Sie tun dies stets mit der Ankündigung der Publikation des Werkverzeichnisses dieser Werke von 1965 – 2005, das von Lionel Bovier betreut wird. Dann gibt es diese gigantischen Walk-In-Diorama-Gärten, die Sie in der Ausstellung «Flower Power» in Lille oder kondensiert an der «Art Unlimited» in Basel präsentiert haben; oder auch die Gerüst-Türme, inklusive Ihre neuen Videos und neuen Furniture-Sculptures, die klassisches Design von Prouvé, Aalto, Jacobsen, Niemeyer und anderen beinhalten (zweites Werkverzeichnis in Bearbeitung, 1979 – 2005), die man im Centre Pompidou in Paris und in der Kunsthalle Baden-Baden sehen konnte u.s.w. Es gibt neue Dot-Paintings und andere abstrakte Bilder; die kontinuierlich fortgesetzte Serie von Pour-Paintings, die in letzter Zeit viel Wertschätzung erhalten haben. Dieses reich bestückte Füllhorn ermöglicht uns, das, was wir bin anhin über Ihre Kunst zu wissen meinten, neu zu bewerten. Und dann, wenn wir dabei sind, die bisher grösste Ausstellung von Werken auf Papier der letzten 40 Jahre zusammenzustellen, nennen Sie die Ausstellung «About Nothing»…

John M Armelder: Ja, das trifft so ungefähr zu!
PW: Tatsächlich wissen viele Leute nicht, dass Ihre erste, von Dieter Koepplin initiierte museale Einzelausstellung, eine Ausstellung von Werken auf Papier im Kunstmuseum Basel im Jahr 1980 war («981 and other pieces»). Einige dieser Arbeiten kommen nun zurück in die Kunsthalle in Zürich, einschliesslich früher Tinte- und Tuschezeichnungen, die ganz sicher Affinitäten zu Wols und Klee haben, einiger Gouachen im Picabia-Stil und Farbstiftzeichnungen, die uns an Ihre para-suprematistischen und para konstruktivistischen Gemälde erinnern, die letztendlich zu Ihrer Signatur geworden sind, nachdem Sie zuerst als Neo-Dadaist und fluxus-orientierter Künstler, als postmoderner Dekonstruktivist, als Appropriations-Künstler und führende Neo-Geo-Figur wahrgenommen wurde. Ihr Gesamtwerk hingegen, das sich in dieser umfassenden Präsentation von "Arbeitsflecken" offen legt, die eine Art versteckte Geschichte und einen Subtext über Ihre Kunst schreiben, erfüllt letztlich diese "Identifizierungen" nicht. Es scheint eher die Ausbreitung einer Vielfalt von Strategien zu sein, die einzig die Ausgrenzung ausgrenzen. Einige werden dies als Enzyklopädie sehen, vor allem, weil es im Papierformat stattfindet, aber eben ein durcheinander geratenes "Lexikon". Sie schätzen es, den Dingen, statt einem sich kontinuierlich entwickelnden Stil zu folgen. Sie könnten morgen schon Ihre erste Zeichnung nochmals machen. Es ist, als hätte sie die Geburtsprüfung bestanden; sie hört nicht auf, immer wieder aufzuleben. Sie fügen Schichten von Verschiedenem und Gleichem übereinander. Ein Club-Sandwich!
JMA: Letztendlich könnte ich auch ein Pop-Künstler sein.
PW: Genau, Sie schmieren alles übereinander, Schicht auf Schicht, und dann in dieser überladenen Theorie entwickeln sie ein ad nauseam Zitat à la Larry Poons. Aber schliesslich räumen Sie auf und erhalten die psychotronischen Effekte.
JMA: …und ein OP-Künstler dazu…
PW: ..und folgen dem ZEN-Weg und machen formale skulpturale Präsentationen.
JMA: und ein Minimal…oops!
PW: Oh! Vergessen Sie es! Sie sind wahrscheinlich eh nur ein B-Movie-Junkie und glauben an UFOs.
JMA: Fangen Sie bloss nicht an, sonst sind wir noch in 500 Jahren hier.
PW: Ich werde nicht fragen warum. Ich meine nur, dass diese Ausstellung "über alles" ist.
JMA: Solange es "über" ist. Nun, beide Wege müssen verstanden werden: nur über, fast und à propos. So ähnliche Dinge findet man auch auf Buchrücken. Wie sich der Buchrücken zu den geschnittenen Buchfahnen verhält, ist immer fragwürdig. Unterschiedliche Prozesse führen zu verschiedenen Ereignissen. Das Lesen von Buchrücken ist sehr aufschlussreich. Ich empfehle Bibliotheken so zu nutzen. Das Zweitbeste sind Klappentexte. Dieses Interview wird gerade dazu, wie mir scheint.
PW: Also, lassen Sie mich es so sagen. Ich glaube, dass diese Ausstellung, über Ihr andauerndes Vertrauen in John Cages offenes System von Möglichkeiten hinausgehend, eine Chance bietet, ein bisschen von der Zauberwelt zu geniessen, in der Sie, egal was Sie tun, herumstolpern – und obwohl Sie dem anscheinend keinen Gedanken widmen oder ihm irgendein Gewicht verleihen, die Ausstellung wird Ihnen durch die Manuskripte und Notizen bestätigen, dass Sie eine Schlüsselfigur in der Kunst der letzten vierzig Jahre sind. Diese Arbeiten können esoterisch erscheinen oder einfach zu informiert und weniger atemberaubend als Ihre letzten Neon-Superhelden oder Ihre Verschmelzungen von künstlicher und lebender Natur, aber sie erzählen eine wichtige Geschichte über Ihre einzigartige Position, und wie diese ein möglicher Weg geworden ist, wie Sie es vielleicht formulieren würden. Und irgendwie agiert eine Ihrer Zeichnungen von 1964 wie eine von 1978 oder 2004.
JMA: Genau, es ist schliesslich alles Papier am Ende.

Parker Williams, Shanghai, Oktober 2004

Die Kunsthalle Zürich dankt: Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Swiss Re, Stiftung Erna und Curt Burgauer