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Keren Cytter

02.07.–14.08.2005

Die israelische Künstlerin Keren Cytter (geboren 1977 in Tel Aviv, lebt und arbeitet in Amsterdam) erzählt Geschichten. Sie tut dies in Form von experimentellem Kino, das aus einer Vielzahl spannender Genres schöpft, vom Film Noir über den fiktiven Dokumentarfilm bis hin zum puren Cinema Verité. Es sind Kurzgeschichten, in denen das Alltägliche mit dem Mysteriösen kollidiert.

Keren Cytter erzählt zugleich normale wie irrwitzige Kurzgeschichten, die eine filmische Gratwanderung zwischen dem Komischen, Grotesken und Tragischen eingehen und gleichzeitig auch als Kommentar zum Medium Film funktionieren. Ihre Filme dokumentieren ihre Umgebung, ihre Freunde und Familie, die als Charaktere in einer Art Traumwelt agieren, in der egozentrische Ziele, tiefliegende Frustrationen, persönliche Bestrebungen und intime Wünsche die Inhalte sind – meistens erinnern sie an steife und amateurhafte Darstellungen von Theater-Sprechproben.

Cytter dekonstruiert traditionelle Erzählstrukturen, indem sie Bilderclips mit nicht harmonisierenden Sprach- und Tonsequenzen, die oftmals mit Untertitel verdoppelt werden, überlagert und dadurch eine oft überraschende und immer arbiträre Realität zusammenwürfelt. Ihre Filme entstehen aus Bild und Sprachcollagen, die auf tatsächlichen wie auch auf fiktiven Begebenheiten und autobiografischem Material basieren. Die Filme besitzen einen besonderen Reiz der durch die innere, psychologische Anspannung der Darsteller verkörpert wird. Sie personifizieren oft eine von existenzieller Angst geplagter und verunsicherten Jugend, die durch ihre geographische und kulturelle Deplatzierung in konstanter Unruhe mit sich selber und ihrer Umgebung sind.

Die Kunsthalle Zürich präsentiert die erste institutionelle Einzelausstellung von Keren Cytter in der Schweiz. Die Künstlerin verbrachte die letzten vier Jahre im Studioprogramm De Ateliers in Amsterdam, wo die meisten – mit Ausnahme einiger in Israel gedrehten – Filme entstanden sind. Für ihre Ausstellung in Zürich hat Cytter sieben Filme ausgewählt, die innerhalb einer wunderlich zerbrechlichen architektonischen Grosskonstruktion von aneinandergereihten Holzkabäuschen eine intime Welt schaffen, die ihre mehrschichtigen Erzählebenen noch tiefer dekonstruiert und ihre vermeintlich leicht erfassbare Filmwelt der Text-, Sprach und Bildwelten ineinander verschmelzen lässt.

Die meist billig und auf einfache Weise produzierten Videos imitieren das Genre des Dokumentarfilms, werden jedoch durch Zitate und Klischees aus Populärkultur, Film, Popmusik und Trash-Literatur erweitert und somit in eine rein fiktive Welt geschleudert, wo das Begriffsvermögen des Betrachters getestet wird. In «The Family» zum Beispiel vermischen sich mehrere Dialogebenen, die durch bewusst falsch zugeordnete Geschlechterrollen und Stimmanpassungen für Verwirrung sorgen. Ein junger Mann mimt die Rolle der Familienmutter, das einjährige Baby wird von einem über zwanzigjährigen Mann gespielt, der Vater wird von einer jungen Frau dargestellt, und auch die übrigen Familienmitglieder sind durch gleichaltrige Freunde der Künstlerin besetzt. Die Dialoge bestehen aus einer Abfolge von irrationalen Beschimpfungen und Drohungen, vermischt mit Wunschäusserungen und Lob. Was diese Familienunterredung so bizarr erscheinen lässt, ist die klare Absenz "normaler" Gespräche, die hier stattdessen durch dunkle, verbotene Gedanken Ersatz finden.

In Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Kunstverein erscheint ein Künstlerbuch, das aus einem insgesamt 200 Seiten umfassenden Stream-of-Consciousness-Text von Keren Cytter besteht, der ihren spielerischen Umgang mit Sprache wie ihre künstlerische Strategie mit einer Auswahl von Bildern dokumentiert.

Die Kunsthalle Zürich dankt:

Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Mondrian Foundation, Amsterdam, Swiss Re