Laura Owens
Die in Los Angeles lebende Laura Owens (geb. 1970) gehört international zu den aussergewöhnlichsten Künstlern, die das Medium der Malerei als Ausdrucksmittel gewählt haben. Seit Mitte der 1990er Jahre tritt sie mit einem Werk hervor, das auf zugleich verführerische wie irritierende Weise Malerei zu einem Wahrnehmungs-abenteuer zu machen versteht, indem es Traditionen der Kunstgeschichte wie der angewandten Kunst, Themen der Abstraktion und Repräsentation und künstlerisch konzeptuelle Stringenz mit Leichtigkeit und visueller Faszination vereint.
Die Ausstellung in der Kunsthalle Zürich stellt nun zum ersten Mal in einer europäi-schen Institution das malerische Schaffen der Künstlerin in einer grossangelegten Übersichtsausstellung mit Arbeiten aus der Zeit von 1994 bis 2006 vor. Zum ersten Mal überhaupt hat sich die Künstlerin bereit erklärt, dem Publikum Einblick in die für ihr Werk zentralen Studien auf Leinwand zu geben, die sie für jedes ihrer Gemälde in variierenden Formaten und in zum Teil zahlreichen Ausführungen anfertigt. Diese Arbeiten (ca. 75) vervollständigen zusammen mit dem während der Ausstellung entstehenden Werkkatalog der Arbeiten auf Leinwand diesen ersten umfassenden Einblick in das Schaffen von Laura Owens. Die Ausstellung wandert als erste weitere Station im September 2006 nach London an das Camden Arts Centre.
Ein tropisches Äffchen greift nach einem westlichen Schmetterling, Bären, Hasen und eine bezüglich ihrer Zugehörigkeit divergierende Fauna tummeln sich auf einem inselartigen Landstück, dessen umgebendes Blau nicht das Meer, sondern ein wölkchen-tuffiger Tageshimmel ist, durch den ein mondschwangerer, traditioneller Nachthimmel bricht, vor dessen Dunkelheit ein Uhu auf einem Ast sitzt. Landschaften, Tiere, Tageszeiten und geografische Wirklichkeiten erscheinen gleichzeitig und gleichwertig und finden ihr Äquivalent in den unterschiedlichen malerischen Darstellungsweisen und Techniken, die die Künstlerin für die Ausführung ihres Bildes gewählt hat: Aquarelltechnik mit Impastomalerei, detailverliebte Präzision mit gestischer Andeutung, perspektivische Illusion mit abstrahierender Flachheit sowie konfrontatives Collagieren mit intarsienartiger Verwebung der unterschiedlichen Themen, Realitäten und technischen Vorgehensweisen.
In der Begegnung mit Laura Owens Gemälden treffen wir auf alle nur denkbaren freundlichen weil allzu vertrauten Bildwelten als Oberfläche: seien es die heroischen Formate der abstrakten Tradition, die sogenannte pure Erfahrung von Malerei mit Farbfeldern und den Grundformen der nicht repräsentativen Maltradition, seien es märchenhafte Szenen bevölkert mit Fabelwesen jeder erdenklichen kulturellen Herkunft, dekorative, abenteuerlich mit dem Süsslichen spielende Blumenkompositio-nen und Stilleben oder Architekturen, Landschaften und Liebesszenen. Ebenso enzyklopädisch verwendet die Künstlerin alle Arten des Bildermachens aus der globalen Hoch- und Volkskunst wie aus den diversen professionellen Gebieten der Malerei, des Kunsthandwerks und dilettierender Hausmannstechniken: Ausgefeilte Malerei steht neben Zuckergussauftrag, wenn sie mit Farbe wie auf Torten direkt auf Leinwand zeichnet, technisch perfekt ausgeführte illusionistische Malerei neben naiv anmutenden Darstellungen. Die malerischen Verfahren aus unterschiedlichen Bilder-zeugungsprozessen erscheinen unangemessen in einem Bild vereint, und die Freund-lichkeit ihrer Motive ist stets konfrontiert mit dem unerschrockenen Nebeneinander ihrer Vorgehensweisen und der krassen Disharmonie von Farbkompositionen.
Laura Owens verhehlt weder die Referenzen, die sie für ihre Bilder einsetzt, noch setzt sie sie mit postmoderner Polemik ein. Die Liste dieser Referenzen liesse sich beliebig lang halten und reicht von der Renaissance über den Impressionismus, den Abstrakten Expressionismus, die chinesische und japanische Malerei und deren Drucktechniken, über die meist anonymen Meister der Volkskunst und des Kunsthandwerks meist weiblicher Provenienz wie Weben, Sticken und Keramik bis in die aktuelle Kunstge-schichte.
Die umfassende Gleichzeitigkeit und die gleichzeitige Verortung aller Stile, Techniken und Motive in den Bildern von Laura Owens erzeugen eine selbstverständlich anmu-tende, entspannte kollektive Kreativität, die sie als Individuum nutzen kann, und die für ihre Bilder eine Befreiung von der Darstellung, von der Geste gegenüber dem historisch Referentiellen und von der Ironie bedeuten, die die Geschichte des Bilder-machens über diese als Last zuweilen legen kann.
Die Kunsthalle Zürich dankt: Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Kanton Zürich, Luma Stiftung und Swiss Re.