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Liam Gillick & Philippe Parreno

Briannnnnn & Ferryyyyyy

21.01.–26.03.2006

Unser Szenario schildert den Overkillversuch an einem potenziellen Opfer, das zu einem heftigen, aber stets ergebnislosen Gegenschlag ausholt. Unser Zugang zu der Geschichte beginnt mit der Feststellung, dass die Katze schliesslich die Maus getötet hat und uns in einer Lücke zurücklässt, die dem Raum zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg oder zwischen dem Kalten Krieg und dem Krieg gegen den Terror ähnelt. Wir wollten eine Arbeit schaffen, mit der sich eine gegebene Beziehung zwischen Gesetz und Kreativität in gewisser Weise kritisieren lässt, wir wollten jedoch auch, was entscheidend ist, pointiert herausarbeiten, was es für uns bedeutet, eine Ausstellung vorzubereiten, die sich in erster Linie mit der Beziehung zwischen Gesetz und Kreativität befasst. […]

Wir sind ‚Reisende’ zum Hauptereignis der Konferenz, nicht ihre Protagonisten, Bezugspunkte oder eine Nebenattraktion. Wir wollten uns absichtlich ins Abseits stellen. Uns ist sehr deutlich bewusst, dass historisch marginalisierte Gruppen nicht notwendigerweise zu einer sehr transparenten Beziehung mit dem Gesetz gefunden haben. […]

Philippe hat die einleitenden Testsequenzen gezeichnet, und diese wurden dann von Ivan Orkney ausgearbeitet, einem jungen, in New York ansässigen Künstler aus Ungarn. Alles wurde von uns editiert und bekam den letzten Schliff. In Lund haben wir das fortgesetzt, und jetzt entwickeln wir neue Versionen von jeder Episode, die auf jeder kommerziellen DVD-Produktion von Anna Sanders Films verborgen sein werden. Diese Produktionsfirma wurde 1998 von Charles de Meaux, Pierre Huygue, Philippe Parreno und Xavier Douroux gegründet. […]

Die Schriftart Alien Gothic wurde für Philippe Parreno von M/M entworfen, der Pariser Designagentur, deren Arbeiten zwischen einer Designwelt, die sich am allgemeinen Trend orientiert, und Gemeinschaftsprojekten mit Künstlern angesiedelt sind. Wir haben sie einfach verwendet und ihnen das später gesagt. Die Schrift heisst Alien Gothic und bereitet immer Probleme, da sie keine Zahlen und Satzzeichen enthält, und daher muss man immer um das Fehlende herum arbeiten. Die Musik ist sehr speziell. Für den Identity Clip von Anna Sanders zu Beginn jeder Episode wurde die Musik 2003 produziert, als der Clip entstand. Der Clip selbst ist eine weitere Gemeinschaftsarbeit von Sean Dack und mir. Er wurde 2003 in der Corvi-Mora Gallery in London gezeigt und ist jetzt zu Beginn der Filme von Anna Sanders zu sehen. […]

Der Hauptteil jeder Episode enthält neue Musik aus der Zeit, als der Film montiert wurde. Sie sollte den einzelnen Episoden ein bisschen Tempo und einen metronomischen Rhythmus geben, sie ist nicht definitiv. Die Credits-Sequenzen enthalten ein kurzes Stück des Anfangs eines bestimmten Tracks einer bestimmten Gruppe, das nur unter dem Aspekt der Validität akademischer Forschung verwendet wird, als ein Zitat konkreter Wertstrukturen. […]

Die Arbeit ist ein Vorschlag, ein provisorisches Gebilde und ein bisschen albern. […]

Was die umfassendere Frage des Urheberrechts betrifft, ist ziemlich klar, dass den etablierten Konzernen die Verpflichtung obliegt, elegante Wege zu finden, um für ihre Produktionen weiter überhöhte Preise kassieren zu können. Das Herunterladen von Musik wird nicht sehr deutlich thematisiert, geboten wird gewissermassen eine Pseudoerklärung für den Austausch von Musik und Gedanken, wie es ihn schon immer gab. […]

Es ist möglich, dass die Zunahme des Datenaustauschs nur neue Sehnsüchte weckt und die Produktion steigert. Sie weckt das Bedürfnis nach mehr ‚Neuem’. Sie wirft ein Glanzlicht auf das, was nicht entliehen oder gemeinsam genutzt oder gefunden werden kann. Jede einfache Suche nach etwas sehr Speziellem führt zu einer grossen Zahl falscher Fährten und Fehlschläge. Wenn man tatsächlich etwas schnell und jetzt braucht, muss man es auf direktem Wege kaufen oder den Inhalt selbst erstellen.

Gemeinschaftsarbeit ist nicht von Natur aus radikal, sie enthält jedoch Potenziale, die von den konservativen Strömungen, von denen die Kunstwelt umgeben ist, unterdrückt werden. Es kommt darauf an, warum man zusammen arbeitet und was man mit der gemeinsamen Arbeit sagen will. Das Urheberrecht ist ein Thema, das Künstler im Zusammenhang mit ihren eigenen Arbeiten gelassen sehen, da sie bezüglich der Produktion von Kunst durch die meisten internationalen Gesetze zu den Persönlichkeitsrechten und den Rechten auf geistiges Eigentum geschützt sind. Jeden Tag gerät der Künstler aus einer juristisch abgeschotteten Umgebung in eine Situation, wo es nur um Schnäppchen geht und der Verweis auf das Urheberrecht im Umfeld der Konzerne verwendet wird, um den Profit und den Markenstatus zu schützen. […]

Die Arbeit spielt mit den Begriffen Autorschaft und Identität innerhalb einer Sequenz kleiner Gesten und überzeichneter Sprünge. Sie holt verquere Vorstellungen von Moral zurück in die zuweilen dröge gewordenen Diskussionen über die frei im Umlauf befindliche Folge von Bildern und Werten, die uns umgeben. Das Produzieren einer Arbeit, die episodenhaft und keine fertige Edition ist, vielgestaltig oder mit Werkstattcharakter, verweist auf den Wunsch, mit Begriffen der Produktion in einer Art und Weise zu spielen, die über die Tendenzen zur Selbstbeschränkung in der Kunstwelt hinausgeht und etwas hervorbringt, dessen Endpunkt unklar und nicht schlüssig ist. Die Kunst ist daher zwar innerhalb der Grenzen jeder einzelnen Episode klar definiert, jedoch potenziell endlos oder zumindest offen für endlose spätabendliche Wiederholungen. […]

Liam Gillick

Die Kunsthalle Zürich dankt: Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Luma Stiftung