Emil Michael Klein
Darkotic
Meredith Stadler in Kunstbulletin; Daniel Horn in Flash Art, Adam Jaspers in artforum
Darkotic zeigt eine Auswahl neuster Bilder des Schweizer Künstlers Emil Michael Klein (*1982). Es handelt sich um abstrakte Malerei, und man versteht sie zuerst einmal falsch. Nicht, dass sie nicht abstrakt ist. Und natürlich orientiert sie sich an der grossen Geschichte des Genres. Dementsprechend werden Sie Bezüge zu anderen Malern und Malerinnen herstellen können. Davon lebt die Malerei und die Kunst überhaupt, denn über Vergleiche und Unterschiede lässt sich Sinn und Bedeutung herstellen, aber auch Kritik formulieren. Und selbstverständlich geht das alles nicht ohne Komposition, Grundierung, Ölfarbe, Dispersion, Leinwand und Denken.
Aber in Wahrheit entwickelt sich Kleins Malerei ebenso sehr über Holzschnitzerei, über Graffiti und Tags. Das ist denn auch die Herkunft seiner Malerei, die nicht mehr einer Tradition verpflichtet ist. Vielmehr versteht sie sich immer auch als Handwerk, als unsentimentale Beherrschung von Wand und Zudecken von Leinwand. Um dorthin zu gelangen, ist der Künstler sozusagen den umgekehrten Weg gegangen und hat sich zuerst als Holzschnitzer ausbilden lassen. Eine Holzskulptur entsteht, im Gegensatz zu einer bemalten Leinwand, durch «Entschichtung», also durch das Entfernen von Holz. Dieses aber ist, im Unterschied zur aufgetragenen Farbe, unwiderruflich. Weg ist weg. Die Kunstgeschichte, die wir gerne als Folge von Triumphen ansehen, ist deshalb auch als Tragödie zu verstehen: Unendlich viele Werke sind gescheitert und für immer verloren – was wohl gut ist. Das Entfernen und Abtragen von Material hat Kleins Auge, das dreidimensionale Begreifen und die Hand geschärft und ihn dazu geführt, Malerei auch immer als Skulptur zu denken, als Schichten und Entfernen. Denn Malerei ist zuerst einmal ein Schichten, ein Überdecken, ein Verschwinden lassen und somit eine Auslöschung. Leinwand wird zugedeckt und durch etwas anderes ersetzt. Dabei ergibt sich ein Hin und Her, ein Vorher-Nachher und ein Drüber-Drunter, getragen von der Hoffnung oder Überzeugung, dass sich dabei etwas durchsetzt.
Das ist einer der grundlegenden Kicks und Widersprüche des Sprayen und Taggen: Überdecken, um allen zu zeigen, dass man überdeckt hat. Deswegen funktioniert diese Kunst auch so schlecht auf Leinwand und im Museum: Jeder kann eine Leinwand mit Farbe überdecken. Es ist wie Eulen nach Athen zu tragen. Draussen aber ist Geschwindigkeit König, denn Zeit ist knapp, der Zug fährt los oder die Security kommt. Genauso ist Sentimentalität fehl am Platz: Jeder und jede weiss, dass das Werk am nächsten Morgen möglicherweise wieder weg ist. Gerade letzteres macht auch das Werk von Klein aus, denn es ist getragen von einer völligen Hingabe, die sich nicht ans Definitive hält. Das macht es so ernsthaft und gleichzeitig fast unheimlich leicht. Dies zeigt die neuste Serie der rosafarbigen Bilder und wie sie die Signatur als USP (unique selling point) gleichsam zelebrieren, parodieren und umfunktionieren. Oder besser: in welchen die Signatur die Rolle der Figur übernimmt, obschon es kaum etwas Abstrakteres gibt, als Buchstaben. Sie sind Form, Standard und weit anonymer als jede Farbe. Sind aber auch Bild, Logo des Künstlers, Echtheitszertifikat, für das Bild meist nebensächlich, hier aber am Rand und im Zentrum.
Dabei aber hat, wie schon Cézanne zeigte, manchmal die Leinwand recht und nicht die Farbe, der Farbauftrag oder das Motiv, egal ob Berg oder Buchstabe. Denn das Sehen selbst, das hat Cézanne immer wieder vorgeführt, hängt von der Leere ab, vom Umraum. Ein Berg ist nur ein Berg, weil nichts um ihn herum ist. Darauf verweisen im übertragenen und buchstäblichen Sinn die Stellen, wo die Leinwand ohne Farbe geblieben ist. Das war damals radikal und leuchtet bis heute ein. Diese Leerstelle erscheint bei Klein jedoch nicht auf Leinwand, sondern in der Ausstellung selbst. Vier Meter der längsten Ausstellungswand er «aufgedoppelt», das heisst, er hat eine Wand an die Wand geschraubt, um die Leerstelle sichtbar zu machen, ohne die es weder Bild noch Ausstellung gibt. Tatsache aber ist, dass diese sich dauernd verschiebt, dass sie nie absolut ist, sondern der Geschichte, dem Raum und dem Denken unterliegt. Das trifft auch auf die Kunst zu. Sie ist ein brutales Geschäft und erklärt, warum manche verschwinden, während andere plötzlich auftauchen, weil eine Leerstelle plötzlich Raum schafft. Die Bilder Kleins sind sich all dessen bewusst, sie definieren sich massgeblich durch dieses Hin und Her, durch Auslöschen und Aufdoppeln, Triumphieren und Bereuen.
Das erscheint auf der ersten Blick als naheliegend und banal, aber es beherrscht – falls Sie es vergessen haben – unseren Alltag und macht ihn zu dem, was er immer auch ist: dark and chaotic, dunkel und chaotisch, Darkotic.
Daniel Baumann
Emil Michael Klein, 1982 geboren, lebt und arbeitet in Zürich.
Zur Ausstellung erscheint das Künstlerbuch EMK, gestaltet von Teo Schifferli, in einer limitierten Auflage.