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Jürgen Drescher

23.08.–20.10.1991

Jürgen Drescher war Schüler von Klaus Rinke an der Kunstakademie Düsseldorf wie Reinhard Mucha, mit dem er anfangs der 80er Jahre verschiedentlich zusammengearbeitet hat. Die von Drescher in der Akademie installierte, real funktionierende Bar wurde gemeinsam thematisch wieder aufgegriffen in einem "Modell" für einen beste– henden Raum, das aber letztendlich in eine eigenständige und viel– schichtige Skulptur mündete.

Jürgen Dreschers Skulpturen, Objekte und Fotografien, die in seiner ersten Einzelausstellung in der Schweiz gezeigt werden, oszillieren zwischen Kunstwerk und Alltagsgegenstand. Seine künstlerische Phantasie entzündet sich an den Lebensspuren alter Teppichböden, an Scherengittern oder auf der Strasse gefundenen Negativen. Ihre ent– schlackte Gegenständlichkeit wird nicht im eigentlichen Sinn bearbeitet, sondern behutsam ins Licht gerückt, sei es, indem eine Holzkonstruktion entwickelt wird, um Bodenbeläge als ehemalige Gehund Wohnbezirke vertikal aufragen zu lassen, sei es, indem der Papierabzug einer mit Kratzspuren durchsetzten Zufallsfotografie bildhaft gerahmt wird. Der andere Blick Dreschers löst normalerweise unbeachtete Versatzstücke unserer Umgebung aus ihrer Kontextgebundenheit, die gleichzeitig präsent bleibt. Vom Nahe- und Brachliegenden wird ausgegangen, das Erreichbare durchdrungen, um sich dem Entfernten anzunähern. Dreschers bildnerisches Denken bewegt sich in entgegengesetzter Richtung zum materiellen Habitus der deutschen Wirtschaftswunderwelt; es bindet äussere Anspruchslosigkeit an geistige Idealität. Immer wieder reflektiert er sein Selbstverständnis als Künstler, die eigenen Wertvorstellungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Drescher wehrt sich gegen marktgerechte Produktivität; er will Lösungen sehen und nicht auf Abruf beliefern, Schritt um Schritt gehen, überprüfen, Unsicherheit miteinbeziehen. Sein Misstrauen setzt unerbittlich und sorgsam zugleich bei sich selber an, und die thematisierte Bedrohtheit der eigenen, künstlerisch bestimmten Sehweise schwingt in Arbeiten verschiedener Werkperioden mit. 199O konstruiert er aus altem Holz ein stark gelängtes "Trittbrett", das gerundet aus laufend und in Eisenkanten gefasst, nur wenig ab Boden an die Wand angebracht wird. Die Frage erhebt sich, welcher Trittbrettfahrer auf welche Stufe aufspringt. Oder verwehrt die rigorose Schlichtheit solch sprachbildliche Assoziationen, wird es unberührbar? Jürgen Dreschers Werke verweigern schnelle Vereinnahmungen und führen bei längerer Betrachtung in Zonen psychischer Befindlichkeit. Eine existentielle Verbindlichkeit kommt zum Tragen zwischen Aufbruch und Verweigerung, Härte und Brüchigkeit, Konstruktion und Anmutung.

Presseinformationen

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