Jessica Stockholder
Die amerikanische, in Kanada aufgewachsene Künstlerin Jessica Stockholder hat an Ort eine grosse Installation gebaut aus disparaten Elementen, die die räumliche Struktur der Kunsthalle auf überraschend neue Weise akzentuiert. Dieses Moment des unbekümmerten und zugleich hochpräzisen sich Einlassens auf die architektonischen Gegebenheiten, auf die hier auffindbaren Gegenstände und Materialien bildet den kreativen Antrieb. Baumaterialien, Zeitungspapier, Glühbirnen, Tücher, Plexiglas, Fundstücke aus dem Sperrgut gehen in einer Art räumlichen Assemblagetechnik waghalsige und frische Konstellationen ein: Eine Vielzahl von Glühbirnen formiert sich zum lichthaltigen Volumen, gefiltert durch pinkfarbene Plexiglasflächen. Dem bootähnlichen Bau aus gespaltenen Holzmöbeln und dem weichen Fall von gelblichen Stoffdecken, der in einer darmartigen Verschnürung endet, antwortet die Schichtung von Backsteinen. Sie spiegelt wiederum die Innenstruktur der bestehenden Wände, und so greifen kristalline Prinzipien in amorphe und umgekehrt.
Der Betrachter kann sich diesem kontrastreichen Wechselspiel in immer wieder anderer Perspektive und Assoziation annähern. Seine Bewegung löst die Gesamtstruktur auf in ein heterogenes Netz von vielen Teilaspekten und setzt dieses wieder zusammen zu einem statischen Ganzen. Zwar bleiben die alltäglichen Zweckbestimmungen der verwendeten Materialien und Gegenstände unmittelbar und assoziativ wirksam. Sie werden aber gleichzeitig im durchkomponierten Inszenierungsfeld auf eine abstraktere Wahrnehmungsebene gebracht.
Diese ortsbezogene Installation auf Zeit bildet sozusagen das Herzstück der Ausstellung, die sich um kleinere Einzelwerke ergänzt, die im Atelier in Brooklyn zwischen 1989-92 entstanden sind. Auch sie zeigen die ungewöhnliche Direktheit, mit der Jessica Stockholder Fundstück und Handschriftlichkeit, Skulptur und Malerei kombiniert. Meist knallbunte Farbtöne schaffen Verbindungen und Konfrontationen über die unterschiedlichsten Texturen und Elemente hinweg, aktivieren die Farbe der unbemalten Objekte und beschleunigen die Öffnung hin zu einem Raum der freien Imagination: "Mich interessiert die Nähe der Fiktion zur Realität. Ich bin mir bewusst, dass Erfahrung von den Rahmenbedingungen abhängig ist, unter denen wir wahrnehmen und verstehen, und ich frage mich, ob diese Rahmenbedingungen vielleicht aus der Fiktion erwachsen. Daher präsentiere ich Fiktion auf einer der materiellen Realität gleichwertigen Basis. Ich mag es, dass fassbare Objekte und Ereignisse mit der Subjektivität des inneren Lebens nahtlos verbunden erscheinen können. Aber ich möchte, dass meine Arbeiten unmittelbar sind, aus unserem Raum und unserer Zeit stammen." (J. Stockholder)