Urs Frei
Aus schäbigen Fundmaterialien und einst zweckdienlichen Alltagsprodukten schafft Urs Frei Konglomerate, die von Anhäufung, Zusammenschnürung und Zerstreuung, von spielerischer Mobilität wie formbewusster Konstruktion zeugen. Knallbunt bis verhalten monochrom bemalt, bündeln sie sich sanftmütig bis sperrig zu körperhaften Gebilden an der Wand, wuchern auf dem Boden oder erheben sich als Stele.
Urs Freitastet sich im laufenden Arbeitsprozess zur Gestalt vor, verwirft und zerstört, verwendet ein bereits erprobtes Teilstück in einem späteren Werkzusammenhang. Sein Atelier birgt denn ein schnell transformierbares Arsenal an Materialien und Relikten, ist eine Stätte des dauernden Kombinierens und Ausponderierens von Fragmenten und Konstellationen, eine Stätte des Suchens zwischen und mit den Dingen einer Rumpfwarenwelt. Das Chaos bleibt greifbar nahe, auch das BanalElende und das scheiternde Verstummen, aus denen sich bändigend und doch zwanglos Ordnung erheben kann, auch Anspruch und Anmut. Die Gestaltanlagen bleiben einsehbar in diesen Bündelungen, die in ihrer steten Bereitschaft zur Auflösung porös sind für widerstrebende, dialektische oder symbiotische Bezüge und Beziehungen, nun aber zweckfreier Natur. Der strukturelle Umgang mit Reststücken verzichtet recht eigentlich auf Formerfindung, bindet das Bewusstsein an das Gewöhnliche des Konsumalltags, an eine offene Ordnung, die erst allmählich an Struktur gewinnt und labil bleibt. Bei aller Präsenz skulpturaler Komponenten wie Volumen, Gewicht, Masse und räumliche Ausdehnung, hat seine Objektkombinatorik etwas Bildhaftes an sich. Dabei kommt der Farbe als dem malerischen Urelement eine entscheidende Bedeutung zu. Ihr Anstrich abstrahiert, ja negiert den dinghaften Träger und hebt ihn auf eine fiktionale Ebene, wobei auch die farblichen Werte der roh belassenen Werkteile als solche wirksam und autonom Werden.
Den Hauptakzent in der Ausstellung setzt eine neue Werkgruppe. Bearbeitete und unbearbeitete Platten verschiedenster Provenienz und Ausprägung, meist aus Holz, aber auch aus Karton oder Styropor, lehnen sich, auf Holzlatten gestützt, an die Wand. Lapidar in der Konstruktion, eröffnen sie agil aktionistische Assoziationen an Protesttafeln von Demonstrationszügen oder an die “Schindeln" der Hornusser. Freis Tafeln entziehen sich solch greifbarer Kampfeslust, halten aber demonstrativ - trotz aller Zweifel - die Macht und die Autonomie von Farbe und Form, die Belange der Kunst gegen alle ideologischen Vereinnahmungen hoch. Roh und fragil gestelzt, beruhigt sich die latente Aggressivität in der monochromen Bemalung in Weiss, Orange oder Tannengrün. Sie hält sich unbefangen, gar sublim im Zwischenreich zwischen abgesteckten Grenzen auf und zeigt auf ihren nomadischen Trägern Ortlosigkeit an. Alle ausserkünstlerischen Allusionen bedenkend, sind diese Tafeln vor allem materialisierte Leinwände, abstrakte Tafel-Bilder, sozusagen auf der Staffelei belassen, die nicht nur kristalline, sondern auch amorphe Prinzipien berühren. Denn heftige Furchen und leise Farbspritzer durchkreuzen die Reinheit sowohl der Farbmembran als auch der Rechtecks- und Quadratformate.