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Sarah Morris

07.06.–13.08.2000

Auftakt dieser ersten Einzelausstellung in der Schweiz der amerikanischen Künstlerin Sarah Morris bildet eine grosse Wandmalerei, gefolgt von Bildern aus der Serie "Midtown". Sie vermitteln ambivalent zwischen Fassadenstrukturen von Wolkenkratzern New Yorks und Abstraktion, zwischen grafischen Rasterstrukturen, poppigen Farbfeldern und verzerrten Wahrnehmungsperspektiven. Architektur reduziert und entmaterialisiert sich zu Zeichen, die räumliche oder psychologische Perspektiven zum Verschwinden bringen. Der Bildraum wird mit modularen Systemen zur ungreifbaren Zwischenzone entleert und zugleich verdichtet. Die Farbrepetitionen legen sich zwar in das orthogonale Ordnungsgerüst, überspielen es aber rhythmisch und steigern das kühle Grossstadtklima so ausdruckslos heftig wie lackierte Fingernägel eine Hand. Es ist denn auch Malerei in Hochglanzlack, die auf die Leinwand aufgetragen wird. Trotz industriell wirkender Perfektion vermittelt die Strahlkraft der Farbe eine Attraktivität, die die Codes der megalomanen Gebäudewelt mehr als atemberaubende Stimulanz denn als inhumane Entfremdung auffasst. Der Realitätsbezug von Sarah Morris Malerei wird atmosphärisch in der parallel entstandenen filmischen Reflexion über "Midtown", dies in 16mm, auf DVD übertragen. Menschen weben sich hier ins urbane Netzwerk, sind Teil einer bewegten Masse.

Werden in Bildern wie "Midtown - Armitron (Madison Square Garden)" die Blickpunkte taumelnder, fast schon psychedelisch unlokalisierbar, so gilt dies insbesondere für den Schwerpunkt der Ausstellung, zwei neue Bildserien, die sich motivisch den gigantischen Hotelkomplexen von Las Vegas wie "Mandalay Bay" oder "The Mirage" und ihren immensen Billboards widmen. Las Vegas ist die Apotheose der Massenkultur, der Zerstreuung und Konsumation. Inmitten der Wüste Nevadas herrscht ein konstantes Zirkulieren, Pulsieren und Stocken der Lichter, der Autos, der Rollbänder, der Touristen, wie der Film "AM / PM" in Grossprojektion zeigt, den Sarah Morris in der urbanen Kulisse des Spieler- und Showmekkas gedreht hat: Ein ständiger Atemwechsel nicht nur des Soundsamplings, sondern auch von Helikopterperspektive, Kamerafahrten im Auto und verharrenden Close Ups.

Die flirrende Lichterfülle und Buntheit ist als Verführungsstrategie omnipräsent - urbane Wirklichkeit zeigt sich als durch und durch synthetisches Konstrukt. So können in den Las Vegas-Bildern die Fluchtperspektiven extremer und zugleich das für jedes einzelne Werk ausgeprägte Farbklima exotischer werden. Wie gewisse Farbflächen, so heizen sich zuweilen auch die Strukturfolgen eines Fassadengerippes geradezu tropisch auf. Werbeflächen werden nicht für identifizierbare Produkte wie Zigaretten oder Alkohol genutzt, sind abstrakt blinkende Neonfelder, die die Hotelstruktur als Entertainment-System spektakulär akzentuieren, buchstäblich überziehen und zugleich einer physischen Begrenzung entledigen. In triangulären Rasterungen führt die jüngste Bildfolge der "Neons" noch direkter die Sogwirkung und ewige Wiederkehr dieser stupenden Farb-Licht-Zirkulationen in Malerei über.