Olivier Mosset
Leaving The Museum
Die Ausstellung «Olivier Mosset ++. Leaving the Museum» ist das letzte Projekt der temporären Ausstellungstätigkeit der Kunsthalle Zürich im Museum Bärengasse, bevor sie im Sommer in die renovierten und neuen Räumlichkeiten im Löwenbräu-Kunstkomplex zurückkehrt. In den aus den 1670er Jahren stammenden Häusern des Museum Bärengasse mit ihren Kachelöfen, der Stukkatur und Holztäfelung haben in den vergangenen eineinhalb Jahren unterschiedliche Begegnungen mit zeitgenössischer Kunst stattgefunden. Mit der Ausstellung von Olivier Mosset (geboren 1944 in Bern, lebt und arbeitet in Tucson, Arizona) schliesst sich nun der Kreis. Mosset präsentiert in 16 Zimmern eine Auswahl an Werken, die sich in die Begebenheiten der Räume einfügen: «Leaving the Museum» bringt eine grosse Auswahl des malerischen Werkes Olivier Mossets zusammen mit Arbeiten, die er in Kollaboration mit anderen Künstlern realisiert hat oder die in seinem Umfeld und durch seine Inspiration entstanden sind. Olivier Mosset behandelt die zahlreichen einzelnen Zimmer des Museum Bärengasse als individuelle Ausstellungen, die gesamthaft einen Einblick in sein Œuvre und seine künstlerische Praxis geben.
In jungen Jahren verliess Olivier Mosset die Schweiz und liess sich in Paris nieder. Er assistierte Jean Tinguely sowie Daniel Spoerri und gründete Mitte der 1960er Jahre zusammen mit Daniel Buren, Michel Parmentier und Niele Toroni die Malerzelle BMPT. Das Wesen der Malerei ergründend und institutionelle Strukturen durchbrechend, warfen sie Fragen nach Autorschaft und Originalität auf und liessen jegliche Bedeutungszuschreibung offen. In dieser Zeit erlangte Mosset durch seine Kreisbilder Bekanntheit. Bis 1974 entstanden 200 an ihrer Zahl, die allesamt den identischen, schwarzen Kreisring auf weissem Untergrund, 100 x 100 cm, in Öl bzw. Acryl auf Leinwand zeigen. Die Wiederholung und die Einschränkung auf ein einfaches Motiv reduzierte die Sinnfälligkeit der malerischen Praxis und des individuellen künstlerischen Einsatzes sozusagen auf einen 0-Punkt. An einer Vernissage der Kreisbilder Mossets im Jahr 1968 in Paris entstand der Film Fun and Games for Everyone von Serge Bard. Das Kommen und Gehen der Besucher wird darin zu einem psychedelischen Improvisationsspiel, in dem das Licht die Gesichter der Besucher ausdruckslos werden lässt und sie in grafische Flächen verwandelt, die durch das formale Spiel von Schärfe und Unschärfe in den Malereien Mossets verschwinden und dadurch selbst zur Malerei werden. „I had nothing to do with the film, it was just filmed at my exhibition.“ (Olivier Mosset)
Die Infragestellung von traditionellen Vorstellungen führte Mosset auch in den ab 1972 entstehenden Streifenbildern fort, die – an die Streifenmotive Burens angelehnt – in der Verbindung zweier, am Anfang neutraler, dann intensiver Farbtöne ein wortwörtliches Erfahrungsfeld eröffneten, das 1977 zur radikalen Reduktion in der Monochromie führte und Mosset zu einem wichtigen Vertreter der „radikalen Malerei“ machte. Stets gründet Mossets Malerei auf der materiellen Realität des Gemäldes: Dimension, Format, Träger, Farbe und gleichmässiger Farbauftrag, der keine Spuren eines Gestus offenbart. Was Malerei ist und wie man malen muss, damit sie nur als solche funktioniert, ohne systematisch programmiert oder durch den Zufall bestimmt zu sein, steht im Zentrum der Malerei Mossets. Denn Malerei ist Farbe, und nur die Farbe. In den 1980er Jahren entstehen zweifarbige abstrakte Bilder, die in der Neo-Geo-Strömung gesehen werden können – eine Stilrichtung, die durch eine geometrische, gegenstandslose und formalistische Bildsprache charakterisiert ist. Seit den 1990er Jahren entstehen sogenannte „shaped canvases“ – Leinwände, die die Form von Sternen, Buchstaben oder Dollarzeichen haben können oder das Kreismotiv seiner früheren Arbeiten aufnehmen und damit das traditionelle, rechteckige Format des Bildes in Frage stellen.
Olivier Mosset ist ein „Easy Rider“. Sich gegen Normen zu stellen findet eine Analogie in der Weite Arizonas und in seiner Liebe zu Motorrädern, die oftmals in seiner Kunst und seinen Präsentationen erscheinen – so hat eines seiner Motorräder, eine „Vincent“ aus dem Jahr 1950, auf kuriose Weise in einem der kleinen Zimmer im Obergeschoss des Museum Bärengasse ihren Platz gefunden. Die Motorrad-Romantik spiegelt sich in den mit feiner Ironie durchdrungenen Folkrock-Songs von Al Perry wider, einem Musiker und Komponisten mit Kult-Status aus Tucson, mit dem Mosset eine Platte produzierte, die in der Ausstellung zu hören ist. Eine von Mosset organisierte Motorradtour durch die Schweiz im Jahre 2009 wurde von Cristina Da Silva aufgezeichnet und ist nun als Film Run (2011) ebenso in der Ausstellung zu sehen wie Mossets Videoarbeit Last Run at Montriond 14 (2004), die dokumentiert, wie der Künstler in seiner gleichnamigen Ausstellung im Circuit in Lausanne den Motor eines Chevrolet Malibu SB 350 aufheulen und dessen Reifen durchdrehen lässt um damit schwarze Gummispuren auf dem Boden des Ausstellungsraumes zu hinterlassen.
Von Mosset und Steven Parrino inspiriert, entstand auch das Roadmovie T.S.O.Y.W (2007) von Amy Granat (geboren 1976 in Saint Louis, lebt und arbeitet in Brooklyn) und Drew Heitzler (geboren 1972 in Charleston, lebt und arbeitet in Los Angeles), das die Geschichte von Wolfgang Goethes Werther (Die Leiden des jungen Werthers, 1774) in die amerikanische Stein- und Wüstenlandschaft überträgt. Auf einer Harley Davidson fährt Werther auf der ziellosen Suche nach sich selbst durch die endlose Weite, bis er in den sich auflösenden Filmbildern verschwindet.
Zu Mossets künstlerischer Praxis gehören seit jeher auch Kollaborationen. So arbeitete er mit Künstlern wie Parrino, John Armleder, Sylvie Fleury oder Andy Warhol zusammen. Letzterer signierte 1985 mit einem silbernen Marker ein gelbes Quadrat Mossets aus dem Jahr 1979. Die in der Ausstellung präsentierte Arbeit des amerikanischen Künstlers Michael Zahn (geboren 1963, lebt und arbeitet in Brooklyn) folgt diesem Konzept: jüngst unterschrieb Mosset eine von Zahns Arbeiten, der in seinem Werk eine Verquickung des Minimalismus und des amerikanischen Oberflächenkults aufgreift und die binären Codes der Computersprache in Malerei transformiert. In Zusammenarbeit mit dem Fotografen Dominique Uldry entstand die Serie Kramgasse 61, die anlässlich von «Born in Bern» 2011 in der Kunsthalle Bern entstanden ist. Die Ausstellung, die anhand von historischen Dokumenten und Re-Inszenierungen um die Kindheit und Jugend des in Bern geborenen Mossets kreiste, führte den Künstler an die Kramgasse 61 zurück, wo er einer frühen Erinnerung folgend eine Deckenmalerei des Berner Malers Albrecht Kauw (1621–1681) mit biblischen Motiven aufspürte. Die Abbildungen dieser Gemälde aus dem 1660 erbauten Wohnhaus finden nun in einem der Ballsäle der beiden ursprünglichen Bärengasse-Wohnhäuser aus der selben Erbauungszeit einen Platz.
Die Kunsthalle Zürich dankt: Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Luma Stiftung, Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung