Erik Bulatov
Gastkuratorin: Claudia Jolles
ERIK BULATOV wird in der Kunsthalle Zürich vom 15. Januar bis 28. Februar 1988 in seiner überhaupt ersten Einzelausstellung einem breiteren Publikum vorgestellt werden. Ca. 25 Werke gewähren einen umfassenden Einblick in sein Schaffen der vergangenen 20 Jahre und einen Ausblick auf die noch kaum bekannte moskowitische Kunstszene.
Losgelöst von jeglicher westlicher Kunstentwicklung, hat Erik Bulatov eine eigenständige Ausdrucksform geschaffen, indem er den offiziell propagierten sozialistischen Realismus stilistisch und inhaltlich subtil transformiert. Realistische Darstellungen überlagert er oft mit persönlichen und politischen Losungen, die die Tiefenillusion des Bildraumes entweder verstärken oder unterbinden. Die überdimensionierte Typographie, die aus politischen Propagandabannern entlehnt scheint, verleiht den Mitteilungen besonderen Nachdruck und allgemeine Verbindlichkeit.
Zwischen Bild und Text ergibt sich ein merkwürdiges Spannungsverhältnis, da sie sich gegenseitig in Frage stellen, statt - wie üblich - sich eindeutig festzulegen und zu interpretieren.
Bulatovs Auseinandersetzung mit bestimmten Sprachen und Zeichensystemen geht über eine postmoderne Spielerei hinaus, da er nicht beliebige Ausdrucksformen verwendet, sondern diejenige, die gleichzeitig die unverrückbaren ideologischen Normen seiner sozialen Umgebung verkörpert. Er weist auf die Grenzen der verwendeten Sprachsysteme hin und lässt gleichzeitig die Fiktion und Zerbrechlichkeit der sichtbaren Welt deutlich werden.
Nachdem sich Perestroika und Glasnost bis jetzt vor allem im kulturellen Bereich ausgewirkt und zu einer merklichen Dynamisierung des Kunstschaffens in Moskau geführt haben, scheint es wichtig bei der nun zu erwartenden Oeffnung der sowjetischen Zone, von allem Anfang an durch Einzelausstellungen nicht nur Informationslücken zu schliessen, sondern auch Wertmasstäbe und Orientierungshilfen zu setzen. Erik Bulatov gehört, wie Ilya Kabakov, der mit ihm eng befreundet und der in der Kunsthalle Bern im August 1985 erstmals im Westen umfassend vorgestellt worden ist, zu einer kleinen, zähen Gruppe unabhängiger Künstler, ohne deren Pionierarbeit die jetzige Regeneration der Moskauer Kunstszene absolut undenkbar wäre. Die Klarheit von Bulatovs künstlerischer Position, die Ehrlichkeit und Verbindlichkeit seiner Werke machen ihn zu einem überzeugenden Vertreter aktueller sowjetischer Malerei. Wir sind gespannt, wie die Reaktionen auf die Gemälde in westlichen Breitengraden ausfallen werden.