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Joel Shapiro

23.03.–26.05.1991

Joel Shapiro gilt als einer der bedeutendsten Plastiker der amerikanischen Gegenwartskunst und gehört wie Bruce Naumann und Eva Hesse zu einer Künstlergeneration, die die abstrakte Norm der Minimal Art aufbrach zugunsten psychischer und physischer Erfahrungsmomente. So erstaunlich es ist, dass seine erste Einzelausstellung in der Schweiz erst jetzt stattfindet, ermöglicht der heutige Zeitpunkt wiederum, anhand exemplarisch ausgewählter Werke von 1973-90 eine kontinuierliche und behutsame künstlerische Entwicklung nachzuvollziehen.

Die Werkauswahl konzentriert sich insbesondere auf das Medium des Bronzegusses, einer traditionsreichen Technik, die nach Jahren der Verschmähung in den achtziger Jahren eine Renaissance erlebte, teilweise unter den Vorzeichen pathetisch zelebrierter Handwerklichkeit. Shapiros Bronzen wirken schlicht und unnostalgisch gegenwärtig. Anfänglich sind es sehr kleine Gussobjekte, die vereinzelt und sockellos auf dem Boden stehen oder weite Wandflächen besetzen. Vertraute Formen (wie etwa ein Haus oder ein Stuhl) laden zwar den Betrachter ein, sie mit eigener Vorstellungskraft und Erinnerung zu besetzen, aber gleichzeitig bleiben sie durch ihre räumliche Isolation zu unseren Füssen und ihre minimalen Volumen weit entfernt.


Diese implosive Kompaktheit öffnet sich in den grossen Bronzeskulpturen der achtziger Jahre zu einer immer direkter werdenden Konfrontation sowohl mit dem Realraum als auch mit dem Betrachter. Blockhafte Elemente fügen sich zu Konfigurationen, die sich wohl der früher abwesenden menschlichen Figur annähern, aber körpersprachliche Mittel wie Posen und Gesten werden auf einer abstrakteren Ebene eingesetzt, um innere Bewegungen wie skulpturale Grundfragen auszubalancieren. Joel Shapiro sagt, dass er keineswegs an Abbildung interessiert sei, etwa an einem Portrait oder am Ausbilden einer vollen Figur, sondern an der Psychologie der Form. Die charakteristische Haltung ist der Schwebezustand und seine destabilisierten Skulpturen sind weniger bewegte Körper als in Gestalt gefasste Bewegung zwischen Präsenz, Blick, Berührung und Erinnerung. Dabei kommt den feinsten Nuancen der hautartigen Guss oberflächen eine wesentliche Bedeutung zu.