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Tatsuo Miyajima

05.06.–08.08.1993

Die Kunsthalle Zürich zeigt im Rahmen des Festivals “Japan in Zürich" neue Rauminstallationen und Zeichnungen von TATSUO MIYAJIMA, der technologischen Fortschritt mit Ritual und Wissen der östlichen Tradition auf höchst bemerkenswerte Weise verbindet. Zeit ist das Hauptthema aller grösserer Installationen, die Tatsuo Miyajima in den vergangenen Jahren errichtet hat. Er benutzt rückhaltlos die Mittel des High-Tech, spezifischer der digitalen Technik. Alle seine raumbezogenen Werke werden aus LED (Licht emittierenden Dioden) komponiert, die in kargen Konfigurationen im Dunkeln angeordnet sind. Diese digitalen Zähler, die uns alltäglich vertraut sind von Anzeigetafeln oder Uhren, befinden sich auf einer Platine und werden von einer integrierten Schaltung gesteuert. Zusammen bilden sie ein “Gadget", das die Grundkomponente aller Arbeiten bildet und zu weiteren "Units" geschlossen werden. Ohne eine Null zu zeigen, zählt das Zahlenpaar jedes Gadgets ununterbrochen von 1 bis 99 und kehrt dann zu 1 zurück. Doch die Darlegung der technischen Grunddisposition erhellt die Arbeits- und Denkweise des Künstlers nur ansatzweise. Seine grossen Rauminstallationen, in die man eintritt, vermitteln eine unmittelbar sinnliche und ganzheitliche Erfahrung, die klar macht, dass hier die anspruchsvolle Technologie nie Selbstzweck, sondern nur Mittel ist, Ideen und Visionen bildhaft werden zu lassen.

Die Zeit der realen Erfahrung existiert neben der Zeit der Erinnerung, des Traumes und der Zukunft. Miyajima will die durch Zahlen visualisierte "wirkliche" Zeit und eine "imaginäre" Zeit ineinanderschieben und dadurch die vertiefte Erfahrung der "true real time" erreichen, dies eine Bezeichnung des Künstlers. Bereits jedes Gadget enthält die drei wesentlichen Grundprinzipien, die leitmotivisch benutzt werden: "Keep Changing, Connect with Everything, Continue Forever". Die verschiedenen "Units" bauen ein komplexes Beziehungswerk auf, das sich bei aller Transparenz der Anlage einer einfachen Einsicht entzieht. Darin zeigt Tatsuo Miyajima auf, dass das individuelle Element nur im grösseren Zusammenhang mit anderen, ähnlich strukturierten Einheiten seine wirkliche Dimension hat. Aus der kontinuierlichen Veränderung der lichthaltigen Grundelemente entsteht eine Gesamtdynamik, die - halluzinativ - mehr ist als die Summe der einzelnen Bewegungen. Sie führt unausweichlich zu einer Meditation über Natur und Charakter der Zeit, symbolhaft zu globalen gesellschaftlichen und kosmologischen Fragestellungen.

Im Gegensatz zum "bewegten Stillstand" der bislang statisch angeordneten Konfigurationen visualisiert die für die Kunsthalle konzipierte Hauptinstallation “Running Time“, die aufgrund von Miyajimas Auseindersetzung mit der Relativitätstheorie Einsteins und der Unschärferelation Heisenbergs entstanden ist, erstmals "Bewegung in der Bewegung". Ausserdem werden in der Serie "Model (36)"die Gadgets wie Molekularmodelle aufeinandergeschichtet, um so "die kleinste Einheit der Materie" und "Zeit und Raum" bildhaft werden zu lassen.