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Harald F. Müller

15.01.–13.03.1994

Harald F. Müllers Umgang mit reproduzierten Bildern, genauer gesagt, mit bereits gedruckten Fotografien, erscheint angesichts des reissenden und in seinen Bahnen nicht mehr fassbaren Stromes massenmedialer Bildproduktion geradezu als Paradox. Denn seit 1982 ist allmählich nur ein schmaler Fundus von fünfzehn Werken entstanden, die er in langen Recherchen ausgewählt hat und für einen bestimmten, situationsbedingten Zusammenhang jeweils wieder bearbeitet, neu adaptiert. Quellen bilden Auftragsfotografien, die zur Selbstdarstellung industrieller Produktivität und Forschung, als Illustrationen in Firmenpublikationen gedient haben und heute - als zeitlich leicht zurückliegende Sinnenreize - in den Archiven von Grossunternehmen lagern. Ihrer Herkunft und Zweckgebundenheit entzogen, sind es Bilder von sachlicher Perfektion, deren Anonymität weder der Pep noch die leicht eingängliche Ikonographie der Werbung eigen ist.

Harald F. Müllers gleichsam autorenlose Abbilder folgen keiner Strategie von Wiedererkennung, Erinnerung und Identifikation. Alle seine Werke bleiben irritierend unlokalisierbar, verharren in stoischer Zuständlichkeit und sind eher rätselhafte Solitäre. Gerade der Entzug von erzählerischen Zusammenhängen, dieser Punkt der Leere und Undurchsichtigkeit fokussiert Müller, schärft ihn durch die enorme Vergrösserung. Denn es ist die Wucht der physischen Ausdehnung, die den Betrachter erstmals bannt und das Bild auf eine abstraktere Wahrnehmungsebene hebt.

Aus der Fernsicht mit farbintensiver Kompaktheit lockend, schafft die hochglänzende Oberflächenschicht der Cibachrome wiederum Distanz. Auf soliden Aluminiumkonstruktionen, ohne Rahmen und Glasschutz, schweben sie verletzlich, in kühlen Spiegelungen vor der Wand. Diesem Anflug von Immaterialität entspricht die Nahsicht, die das scheinbar gegenständliche Vorhandensein in das klar ersichtliche Netzwerk kristallähnlicher Rasterelemente auflöst. Diese in Erscheinung tretende Mikrostruktur macht den konstruktiven Bildherstellungsprozess deutlich und führt zugleich die Illusion eines Kontinuums des Sichtbaren vor Augen.

Das fotografische Surrogat erhält eine künstlerisch bestimmte Realität von geradezu würdevoller Ausstrahlung und existiert autonom neben dem sich verflüchtigenden Bezeichneten. Wie es in objekthafter Dimension, einer abstrakten Skulptur ähnlich, in den architektonischen Raum vordringt, nutzt es die Schichtenstruktur des Cibachromematerials zu einer Farbpräsenz, deren Leuchtkraft nur noch mit Malerei in Verbindung zu bringen ist. Für jede Ausstellung bearbeitet er seine Vorlagen neu, schafft einen ortsspezifischen Zusammenhang, der jedes Bild singulär und gleichzeitig als Teil einer räumlichen Einheit erscheinen lässt.