Christodoulos Panayiotou
Das Werk von Christodoulos Panayiotou (geboren 1978 in Limassol, Zypern, lebt und arbeitet in Berlin) ist geprägt durch das Performative. Sei es, dass er Räume für andere schafft, in denen diese agieren können, oder sei es, dass er künstlerische und gesellschaftliche ‚Performances‘ in seinen Arbeiten aufgreift. Alltägliche und folkloristische Brauchtümer und Praktiken, Volksfeste oder andere, in der Gesellschaft verankerte Rituale, sowie die Populärkultur spielen ebenso eine Rolle wie die damit im Zusammenhang stehenden, romantischen Mythen und subtextuellen Begehren. So kreisen Panayiotous Videoarbeiten, Installationen, Fotografien und Performances um die individuelle und kollektive Darstellung von Sentimentalität, Sehnsüchten und der damit verbundenen Idee von Melancholie und Absenz. Der Betrachter findet sich dabei oftmals in Situationen wieder, die ihn auf seine eigene soziale Verwurzelung, sein kulturelles Gedächtnis und persönlichen Wünsche zurückwerfen. Die Kunsthalle Zürich präsentiert die erste institutionelle Einzelausstellung von Christodoulos Panayiotou und vereint Arbeiten, die sich durch einen stark konzeptuellen Ansatz auszeichnen und sich mit den Fragen des Archivs und dem Verhältnis von Bild und Ton, Erzählung und Historie sowie der Theorie auseinandersetzen.
In seiner Arbeit Wonder Land (2008) thematisiert der Künstler den jährlich stattfindenden Karneval in Limassol. In einer intensiven Recherche zur ästhetischen Erscheinung des Umzuges im städtischen Archiv dokumentiert Panayiotou einen Wandel: Populäre Sujets verdrängen allmählich die klassischen Themen. So schreiten vermehrt Mickey und Mini Mouse sowie Donald Duck durch die Strassen – ein Trend, der eine subversive Umformulierung der offiziellen Absicht der Parade darstellt.
Die zweiteilige Videoarbeit Guysgocrazy (2007) entstand in Zusammenarbeit mit der gleichnamigen, in Prag ansässigen Pornofilm-Produktionsfirma, die sich auf gross angelegte Massenorgien spezialisiert hat. Ein Video zeigt, wie die Kamera den Spielort eines solch zügellosen Gelages vor den Dreharbeiten abtastet. Das Studio ist fein säuberlich aufgeräumt und die Lichtkegel der Scheinwerfer tanzen auf den farbigen Wänden und dem glitzernden Boden. Das zweite Video erkundet dieselben Räumlichkeiten nach den Geschehnissen: Die Akteure sind bereits verschwunden und haben ihre Spuren hinterlassen; Pappbecher, leere Champagnerflaschen, Schlagsahne und aufgerissene Kondompackungen geraten für Sekunden ins Scheinwerferlicht und sind stumme Zeugen der gerade vergangenen Geschehnisse. Indem Panayiotou die Gegensätzlichkeit von Anfang und Ende einer Pornofilmproduktion einander gegenüberstellt, wird das erwartete Spektakel gleichzeitig mit den Überresten des dekadenten Schauspiels konfrontiert. Mit dieser Isolation des Prologs und des Epilogs spielt der Künstler mit den Assoziationen der Betrachter, die die fehlende Handlung und die Akteure rekonstruieren. Eine Belebung erfährt der Ort lediglich durch den Ton, der im Hintergrund zu hören ist. Stimmengewirr und Gelächter deuten auf das hin, was auf visueller Ebene absent ist: die menschliche Präsenz.
Das Thema der Absenz und ihre Darstellung verfolgt Panayiotou auch in der Arbeit Le Fauteuil de Sarah Bernhardt (2009). Sarah Bernhardt (1844–1923), eine der berühmtesten Schauspielerinnen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, entdeckte 1894 die Insel Belle-Île in der Bretagne und erwarb eine kleine, stillgelegte militärische Festung an der Küste von Pointe des Poulains, wohin sie fortan während dreissig Jahren regelmässig in der Gesellschaft von Freunden zurückkehrte, um dem regem Treiben in Paris zu entfliehen. Die beiden Fotografien Panayiotous zeigen zum einen einen Sessel, der in einen Felsen gemeisselt wurde, zum anderen die Aussicht von dieser Einbuchtung auf die felsige Küste der Insel Belle-Île. Die Struktur des Steins verweist dabei ebenso auf die kunstgeschichtlichen Hintergründe, wie sie im Bezug auf den Werktitel zur Referenz von Vergänglichkeit und Abwesenheit wird – der scheinbar in Stein gemeisselte Sessel für Sarah Bernhardt, von wo aus sie Gedichte mit Blick auf das Meer rezitiert haben soll, ist leer und wird zum Stellvertreter ihrer selbst.
In der Arbeit Judy Garland: A Biography erinnert Panayiotou an eine weitere Filmgrösse. Er legt die erste und letzte Tonaufnahme der von Judy Garland gesungenen, emblematischen Ballade Somewhere over the rainbow übereinander. Der Song, ursprünglich für die Verfilmung des Romans Der Zauberer von Oz geschrieben, wurde zu einem der bekanntesten Lieder der 1930er Jahre. Die Überlagerung der beiden Versionen veranschaulicht den Wandel der Interpretation Garlands über die Jahre hinweg, wird beinahe zu einer Metapher ihrer Lebensgeschichte und verweist ebenfalls auf die vielfache gesellschaftliche und politische Wiederbelebung des Liedes bis heute. Im Ausstellungsraum kündigt ein Siebdruck die Vorführung der Toninstallation Panayiotous im Kino Arthouse Alba an: Am Sonntag, 21. März 2010, wird die Arbeit im Vorfeld des regulären Kinoprogramms präsentiert.
Ein weiteres Poster in der Ausstellung kündigt die Vorführung der Soundarbeit To be willing to march into hell for heavenly cause (2007) im Kino Arthouse Alba an. Die Arbeit entstand im September 2007 während einer Überquerung des Ägäischen Meeres. Der dänische Sänger Kristian Finne Kristensen singt live sieben Songs aus amerikanischen Musicals, denen allen der Gebrauch von meteorologischen Metaphern gemeinsam ist, um utopische Lebensentwürfe zu formulieren. Die Arbeit wird am Samstag, 20. Februar 2010 ab 13.00 Uhr bis 14.45 Uhr ebenfalls im Kino Arthouse Alba gezeigt.
Die Kunsthalle Zürich dankt: Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Luma Stiftung