Igshaan Adams
Kicking Dust
Die Kunsthalle Zürich zeigt die erste grosse Einzelausstellung von Igshaan Adams in Kontinentaleuropa. Sie wurde im Frühsommer 2021 in der Londoner Hayward Gallery gezeigt. Die Ausstellung Kicking Dust funktioniert wie ein Park, der uns aufnimmt und mit Alltäglichem, Wünschen, Geschichten und vielen Gegensätzen umgibt.
Ein Film, entstanden in Zusammenarbeit mit Nowness, Hayward Gallery und Kunsthalle Zürich, gibt Einblick in das Denken des Künstlers.
Igshaan Adams Kunst spricht von Herkunft, Religion und Sexualität und verbindet Naheliegendes, Entferntes und scheinbar Widersprüchliches. Gewobene Teppiche, filigrane Skulpturen und raumgreifende Gebilde überbrücken Gegensätze, sie spinnen Fäden, halten zusammen und weben am Denken. Seine Kunst ist abstrakt und poetisch, sie fusst in konkreten Erfahrungen, vereinnahmt die Besucher*innen und lässt ihnen doch Raum und Ruhe zur Reflektion. So erinnert Kicking Dust an einen Garten oder einen Park, der von sichtbaren und unsichtbaren Wegen, Wünschen und Erinnerungen durchzogen ist.
Igshaan Adams, (*1982) lebt und arbeitet in Cape Town, Südafrika. Seine Biographie ist, wie Adams in Interviews sagt, von der Erfahrung geprägt, dass in einem Menschen, aber auch in Gesellschaften, sehr vieles zusammenkommt – vieles, was sich scheinbar nicht verbinden lässt oder sich gegenseitig auszuschliessen scheint. Adams ist 1982 in Bonteheuwel, einem segregierten Township in Cape Town, geboren, der zwischen 1961 und 1964 angelegt worden war. In Zeiten der Apartheid wurden Schwarze und «Farbige», d.h. Menschen von gemischter Ethnizität, in verödete Stadtteile zwangsumgesiedelt. Als Kreole mit malaiischen Wurzeln als «Farbiger» klassiert, wuchs Adams als praktizierender Muslim bei christlichen Grosseltern auf.
Kicking Dust ist u.a. von improvisierten, von Menschen angelegten Pfaden inspiriert. Auch «Wunschlinien» genannt, verbinden sie Stadtteile wie jene zwischen Bonteheuwel und Langa, womit sie Gemeinschaften zusammenbringen, die sich aus rassistischen und religiösen Gründen eigentlich feindlich gegenüberstehen. Adams Kunst ist jedoch nie die Illustration seiner persönlichen Biographie. Sie bebildert nichts, sie ist nicht figurativ oder anekdotisch, sondern abstrakt – und dabei überaus gegenständlich. Material ist zentral, in Adams' Fall Schnüre, Glasperlen, Plastik, Holz, Seide, Muscheln oder Stoffe, die zu grossen Teppichen oder raumgreifenden Installationen verwoben werden. Teilweise werden sie vom Künstler selber gefertigt, oft jedoch unterstützen ihn Frauen, die Webtechniken beherrschen, welche ihnen über Generationen weitergegeben wurden. Über diese Zusammenarbeit fliessen Traditionen, Vorstellungen aber auch persönliche Geschichten anderer in sein Werk ein.
Weben ist eine uralte Technik und ein traditionsreiches Handwerk, es ist einfach und gleichzeitig komplex, es erfordert viel Sorgfalt und Geduld und ist immer zeitintensiv. Weben ist günstig und effektiv, es erlaubt Recycling und übertriebenen Luxus, es kann eindringliche Bilder erzeugen, auch wahnsinnige Schönheit. Vor allem aber ist Weben transparent, denn jedes Element bleibt unabhängig bestehen und doch fest eingebunden: eine Glasperle bleibt eine Glasperle, aber im Verbund mit anderen wird sie zu etwas Neuem. Weben vereint, ohne Unterschiede aufzulösen. Daraus entstehen Bildräume und begehbare Räume, die uns als Teilnehmende einschliessen wie eine Perle. Die Besucher*innen werden Teil des Prozesses und bleiben doch autonom. Ausstellungen von Adams sind deswegen Räume für Erfahrungen, diese können körperlich sein, ästhetisch, transzendent oder gar religiös, in jedem Fall sind sie eindrücklich.
Der Titel der Ausstellung, Kicking Dust (Staub aufwühlen), bezieht sich auf einen indigenen südafrikanischen Tanz, dem Adams als Kind bei den Nama Gemeinschaft seiner Grosseltern in der Provinz Nordkap beiwohnte. Der Tanz, der als «Tanzen im Staub» beschrieben wird, ist ein ritueller Werbungstanz, während dessen die tanzenden Staubwolken aus dem trockenen Boden aufsteigen lassen. Diese werden in der Ausstellung von wolkenartigen, von der Decke hängenden Skulpturen aus spiralförmigem Draht und Perlen verkörpert. «Staub aufwühlen» kann als Sinnbild für Kunst überhaupt verstanden werden, als eine Aktivität, die viel Staub aufwirbelt. Staub ist nichts, Staub ist alles, er ist, wie die Zeit, unwichtig-wichtig. DB
Kuratiert von Tarini Malik und Marie-Charlotte Carrier (Hayward Gallery) und Daniel Baumann (Kunsthalle Zürich). Die Ausstellung wurde von der Hayward Gallery, London, in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Zürich organisiert.
«Igshaan Adams has a tremendous gift for delicacy and a poet’s understanding of time, of how it can erode and mark our daily lives. The queer South African artist was raised in Bonteheuwel, a former segregated township in Cape Town, and his intricate, handwoven tapestries rely on the materials of that world—plastic, beads, rope, shells, the patterns of linoleum floors—to evoke a sense of home, and of the faith that he found there. (Adams is a practicing Muslim.) In his current show at the Casey Kaplan gallery, on view through July 30, the artist pairs his textiles with tumbleweeds of wire, a physical manifestation of apartheid, in a series titled “Getuie (Witness).” (“Getuie VIII” is pictured above, with the tapestry “A Night Journey on a Winged Horse.”) South Africa’s history informs the melancholy tone of Adams’s exhibition, but he has us look up at the stars, too, in such supremely beautiful works as the blue, worn, and iridescent “Veld Wen,” which gives the exhibition its name.» Hilton Als zu Igshaan Adams Ausstellung bei Casey Kaplan in 2021
Igshaan Adams wird von den Galerien Casey Kaplan und blank projects vertreten. blank projects haben zu seiner Arbeit die Publikationen When Dust Settles und Igshaan Adams veröffentlicht.
Während seines Aufenthaltes in der Schweiz nahm Igshaan Adams an den E.A.T. (Engadin Art Talks) vom 28.–30. Januar 2022 in Zuoz teil. Sein Gespräch mit Daniel Baumann ist hier zu sehen.