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Andreas Gursky

28.03.–24.05.1992

Die erste Einzelausstellung in der Schweiz des in Düsseldorf lebenden Künstlers Andreas Gursky konzentriert sich auf neuere fotografische Grossformate, ergänzt um eine auf sie bezogene Auswahl früherer Arbeiten.

Andreas Gurskys Farbfotografien halten gesehene Lebensräume auf subtile Weise aus der Distanz fest, versuchen nicht interpretierend in sie einzugreifen und etwa das Einzelne als das Besondere hervorzuheben. Wie sich Menschen in den Landschaftsbildern von 1984 - 88 in der Weite der Aussenräume und Möglichkeiten aufzulösen scheinen (etwa Touristen als gerade noch wahrnehmbare Punkte in einer Gebirgslandschaft), so ist analog der arbeitende Mensch in den “color-prints"jüngeren Datums ein fast verschwindender Teil geschlossener Organisationssysteme, wie sie hochtechnisierte Fabrikationsstätten oder eine Börse bestimmen. So winzig und nebensächlich die Menschen im einzelnen erscheinen mögen, sind sie von zentraler Bedeutung, weniger in ihrer individuellen Eigenart und Tätigkeit, vielmehr als Teil einer Art kollektiven Biografie. “Da mich besonders die anthropologische Prägung und somit die unterbewusste Motivation ihres Tuns interessiert, zeige ich die Menschen fast immer in einem Moment des Innehaltens. Die Zeit scheint stehenzubleiben, und die Selbstverständlichkeit ihres praktischen Tuns wird hinterfragt." (Gursky)

Im phänomenologischen Zugriff auf die Welt entstehen Bilder, die im Normalen und vermeintlich Unbedeutenden gesellschaftliche Repräsentation suchen, darin vergleichbar mit der Bildtradition der Genremalerei. Focussiert werden aber nicht deren meist intime und geschlossene Szenerien, sondern Orte öffentlichen Zusammentreffens, Phänomene der Fülle. “Ich halte es nicht für Zufall, dass über Jahrhunderte immer wieder ähnliche Bildvorstellungen in der Kunstgeschichte auftauchen. Es gibt offensichtlich eine gemeinsame, allen Menschen verständliche Sprache des Unbewussten, die man die Sprache der Bilder nennen könnte." (Gursky)

Sei es eine Autobahnlandschaft, sei es ein Fabrikinterieur, immer werden sowohl zeitspezifische Merkmale als auch zeitlos gültige Dimensionen erkennbar. Geschehnisse und Ortlichkeiten werden aus einem erhöhten Blickwinkel erfasst, der Übersicht schafft und faktische bis erzählerische Bedeutungszusammenhänge in der Schwebe lässt. Bei aller realistischen Präsenz erlauben die Grossfotos von Andreas Gursky, durch eine Reduktion der Bildelemente und eine starke Strukturierung von Flächen und Farben, eine formal-abstrakte Lesart, die sich über die konkrete Abbildhaftigkeit hinwegsetzt. Detail wie Gesamtanlage dieser Zivilisationsbilder sind von luzider Klarheit und bieten sich zur ruhigen Betrachtung an.