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Bernard Voïta

23.08.–19.10.1997

Im Mittelpunkt dieser ersten gross angelegten Einzelausstellung von Bernard Vosta steht eine neue Bildserie, die jedoch im Fluss der über die Jahre kontinuierlich entwickelten Bildsprache präsentiert wird. In der Schweiz trat das Werk des in Brüssel lebenden Romands seit einer Ausstellung in der Shedhalle Zürich (1988) periodisch und doch diskret in Erscheinung, meist in Form der ausschliesslichen Präsentation bestimmter, in sich geschlossener Werkgruppen, die zwischen Fotografie und Plastik oszillieren. Sie treffen nun in freien, unchronologischen Konstellationen aufeinander, angefangen bei der frühen Serie "Antichambre" (1987) bis zu den unbetitelten Pseudoarchitekturen in Kabinettformat (1994-95), die in verschiedener Hinsicht die Vorstufe sind zu den aktuellen, grösserformatigen Bildfindungen. Diese sind zwar gleitend aus dem bisher Geschaffenen hervorgegangen, unterscheiden sich aber doch auf wesentliche Weise:

Räume öffnen sich, meist in leichter Aufsicht und Schwarzweiss von der Kamera festgehalten, die in atmender Dichte sich ansatzweise zu urbanen Zonen zu konkretisieren scheinen, so etwa zu Gebäudestrukturen oder baustellenartigen Gruben. Sie finden jedoch in der unaufhaltsamen Osmose von atmosphärisch sprunghaften Schatten- und Lichtwirkungen, plastischen Tiefenschärfen und dem Oberflächenreiz verschwommener Schemen und Konturen zu keiner örtlichen Definition. Unterschiedliche Wahrnehmungsperspektiven und Raumerfahrungen scheinen zwanglos ineinandergeblendet, bilden ein untrennbares Amalgam und verursachen zugleich die Irritation des Unzusammenhängenden, ja Gespaltenen und Bodenlosen.

Die mit Hilfe einer Videokamera inszenierten und aus allerlei Materialien und Utensilien mehr gebastelten als konstruierten Raumphänomene schaffen in schnellen Wechseln eine Bildwirklichkeit, die paradox ist und der keine einheitliche Denk- oder Handlungstruktur zugrundeliegt. Sie ist vielmehr Zwischenraum an den Rändern unserer Vorstellungskraft, der ungreifbar leicht zwischen Amorphem und Strukturiertem, Schein und Sein vermittelt und von grosser Schaufreude ist, wie immer bei Vosta. Dieses Surfen auf simultanen Wahrnehmungsebenen geschieht in einer Freizügigkeit, die die dialektische Gegenüberstellung von der Realität des fotografischen Bildes als Fläche und der plastischen Realität der fokussierten Objekte auflöst, die - summarisch gesagt - das bisherige Werk letztlich prägte. Wir sehen etwa in einer unbetitelten Serie von 1990 auf den ersten Blick eine organisch in sich zirkulierende Endloslinie, die sich im Zoom der Nahsicht zusammensetzt aus so handfesten Dingen wie die Beine eines Hockers, ein Lampenarm, ein Schlauch oder Klebeband, die in der Tiefe des Atelieraumes real Platz finden und nur soweit Sinn machen, eine trügerische Linearität zu arrangieren, die so den illusionären Charakter der Fotografie "realistisch" wiedergibt. In seinen neuen Bildern bindet Vosta seine modellhafte Reflexion über die Konstruktion und Dekonstruktion von Wirklichkeit nicht mehr an den Zauber dieses Kippeffektes zwischen Dingpräsenz und den darüberliegenden Folien mentaler Ordnung, vollführt sie jedoch nicht minder erstaunlich.