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Ian Wallace

A Literature of Images

15.11.2008–11.01.2009

Die Kunsthalle Zürich freut sich, mit der Ausstellung «A Literature of Images» des Künstlers Ian Wallace (geb. 1943, lebt und arbeitet in Vancouver) einen der wichtigsten Vertreter der Vancouver Konzeptkunstszene zum ersten Mal in einer umfassenden Retrospektive mit Werken aus den 1970er Jahren bis heute in Europa vorzustellen. Ian Wallace gilt als Schlüsselfigur der so genannten „Vancouver School“: Im Laufe seiner Karriere, die durch seine kontinuierliche Lehrtätigkeit als Professor u.a. an der University of British Columbia geprägt ist, hat er eine ganze Künstlergeneration wie Jeff Wall, Rodney Graham, Ken Lum und Stan Douglas sowie jüngere Künstler, darunter Gareth Moore, Alex Morrison und Arabella Campbell, entscheidend beeinflusst und begleitet. Während sein Werk in Kanada und den USA in den führenden Museen präsent ist, ist der Künstler in Europa bisher wenig bekannt.

Das Werk von Ian Wallace nimmt seinen Ausgangspunkt in der abstrakten, von der Minimal Art beeinflussten Malerei, ist aber seit den späten 1960er Jahren vom Medium Fotografie geprägt. Wichtige Themen in Wallace’ Werk sind Fragestellungen nach dem Status des medialen Bildes, seiner repräsentativen Funktion, seinen politischen und sozialen Implikationen und seiner Bedeutungsverschiebung im Kunstkontext.



Wie bei der Ausstellung «Three Perspectives and a Short Scenario» des Künstlers Liam Gillick zu Anfang des Jahres, realisieren wir den Überblick über dieses bisher zu selten gesehene Oeuvre als Projekt, das mehrere Institutionen umfasst: Die Ausstellung in der Kunsthalle Zürich wurde mit dem Witte de With Center for Contemporary Art in Rotterdam und dem Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf entwickelt. Das gemeinsame Konzept sieht vor, dass jede der Institutionen einen eigenen thematischen Schwerpunkt im Werk des Künstlers erarbeitet und zeigt. So spannt die Retrospektive «A Literature of Images» nicht nur einen zeitlichen und thematischen Bogen innerhalb des Oeuvres von seinen Anfängen bis Heute, sondern verbindet seine Präsenz über die Orte hinweg. 



Im Zentrum der Ausstellung in der Kunsthalle Zürich stehen Arbeiten des Künstlers, die das Verhältnis von Bild und Literatur ausloten, wie auch Werke, die Wallace’ Bildfindungen zur Stadt als Text thematisieren – so Attack on Literature (1975) und die Serie In the Street (1988-89). Einen weiteren wichtigen Schwerpunkt bilden die Arbeiten At Work (1983 bis heute), in denen sich Ian Wallace mit der Rolle als Künstler und der Funktion des Künstler-ateliers auseinandersetzt.

Attack on Literature erzählt – in formaler Anlehnung an Filmstills – auf zwölf grossformatigen, handkolorierten Abzügen von vier Protagonisten: dem Poeten, zwei Musen und einer Schreibmaschine. Bezeichnenderweise sind die Textseiten, die aus der Schreibmaschine kommen, leer. Eine Auseinandersetzung mit einer grundlegenden Skepsis an Sprache und Literatur und die ablehnende Haltung der Kunst in den 1970er Jahren narrativen Strukturen gegenüber klingen an; Wallace verweist in seinen theoretischen Schriften auf den französischen Symbolisten Stéphane Mallarmé und dessen Spätwerk Un coup de dés (1898). In diesem setzt der Autor in vollendeter Weise seine Gedanken zu einer in Wortschatz, Rhythmus und Satzbau neuartigen Poesie um. Ausgehend von diesem, versteht Wallace die Leerstellen als eine Metapher für Stille, aber auch als Ausdruck einer Krise und seiner ambivalenten Haltung gegenüber dem „leeren“, monochromen Bildträger im eigenen Werk.

Zeichnet sich das Frühwerk Wallace’ durch monochrome Malerei aus, gab er diese um 1970 auf, um sich der Fotografie zuzuwenden. Die der monochromen Malerei innewohnende Selbstreferenz genügte ihm nicht mehr. Die frühen Fotografien von Stadtansichten, versteht Wallace als den Versuch, „die Welt durch eine Abbildung von der Welt zu denken“ (Ian Wallace). Gleichzeitig gibt ihm das Arbeiten in diesem Medium die Möglichkeit, eine Verbindung zwischen der Konzeptkunst „in Reinform“ und der wirklichen Welt zu schaffen.

Die Strassenansichten, die in der Kunsthalle Zürich gezeigt werden, stammen aus einer dritten Werkphase, in der Wallace monochrome Malerei und Fotografie in einer Arbeit vereint: Formal geht es um eine Gegenüberstellung der reinen Fläche und einer Illusion von Dreidimensionalität; inhaltlich werden die zwei wichtigsten Strömungen in der Kunst nach 1945 vereint.

Keine Farbe, keine Staffelei, noch nicht einmal eine Kamera ist in der Arbeit „In the Studio“ (1983) zu sehen; nur der Künstler in einer leeren Galerie – beim Lesen von Søren Kierkegaards „Über den Begriff der Ironie in stetem Hinblick auf Sokrates“ (1841). Der Künstler als Denkender und Zweifelnder. Wallace setzt diese Arbeit bis heute fort, indem er die Bedeutung und Funktion des Künstlerateliers untersucht.

Im Witte de With in Rotterdam wird die kommunikative und politisch engagierte Dimension von Wallace’ Fotografie mit Werkgruppen wie The Summerscript (1974), The Idea of the University (1990) und Clayoquot Protest (1995) untersucht. Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, schliesslich präsentiert, ausgehend von dem mehrteiligen Werk Lookout (1979), Überlegungen zur Konstruktion von Bildlichkeit in Verbindung mit kinematografisch angelegter Inszenierung von Wirklichkeit im Werk des Künstlers.



Witte de With Center for Contemporary Art, Rotterdam, 8. November 2008 – 8. Februar 2009

Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 18. Oktober 2008 – 11. Januar 2009

Die Kunsthalle Zürich dankt: Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Luma Stiftung, Stiftung Art Progressive, Deutsche Bank Stiftung