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Gabriel Orozco

04.05.–23.06.1996

In der ersten Ausstellung in den neuen Räumlichkeiten der Kunsthalle werden die verschiedenen methodischen Ansätze von Gabriel Orozco in Fotografie, Skulptur, Zeichnung oder direkter räumlicher Intervention im grossen Rahmen vereint. Der unmittelbar nachvollziehbare Zusammenhang der Werke soll dem Grundimpuls nachspüren, der die Prozesse in Gabriel Orozcos Werk und wohl auch die der Welt bestimmt.

Er gewinnt mit Vorliebe dem Ephemeren künstlerische Aussagekraft ab, richtet seinen Blick auf unscheinbare Situationen, Fundstücke und Materialien, die er auf leichtfüssige und subtile Weise aufgreift, kombiniert oder bearbeitet und augenfällig in grössere Zusammenhänge führt. Sind die frühesten der gezeigten Arbeiten noch in Mexiko entstanden, wohin er regelmässig zurückkehrt, bilden ab 1992 insbesondere die Lebensräume Nordamerikas und Westeuropas mit ihrer beschleunigten Konsumund Wegwerfkultur den Kontext, insbesondere New York und kürzlich Berlin, wo er für ein Jahr als Gast des Künstlerprogrammes des Deutschen Akademischen Austauschdienstes lebte. Die andersartigen Erfahrungsebenen der sozialen und visuellen Kultur weiss er bruchlos und symbiotisch mit seinen lateinamerikanischen Wurzeln zu vereinen und zu nutzen. Denn das Unterwegssein ist das prägende Moment, das stete Offensein für die Illumination des Augenblicks, die zum Bild gerinnt. So hält er mit der Kamera die schnell schwindende Atemspur auf einem Klavier fest, oder prägt aus Terrakotta den Hohlraum seiner Hände aus: “My Hands are My Heart" (1991).

In Berlin angekommen, legte er sich eine “Schwalbe" zu, ein Motorrad aus der Produktion der ehemaligen DDR. Auf seinen Erkundungsfahrten durch das Neuland zur Vertrauten geworden, gesellte er sie zu jeder zu erspähenden anderen Maschine: “Until You Find Another Yellow Schwalbe" (1995). Die abwesenden Besitzer wurden per hinterlassenem Flugblatt eingeladen, zur Nationalgalerie zu kommen, zum möglichen Beginn unendlicher Begegnungen von gelben Schwalben.

Orozco behandelt die Randzonen unserer Wahrnehmung, wechselt Blickpunkte und Standorte in der Kontinuität des steten Wandels. So tauchen bezeichnenderweise immer wieder Chiffren organischer Bewegung und Veränderung auf, und auch scheinbarer Reglosigkeit wohnt implosiv energetischer Elan inne. Auf der phänomenologischen Suche nach Bedeutung wurde in “Elevator" (1994) eine ausgebaute Liftkabine aktiviert. Ein funktionslos gewordener industrieller Körper wird zur Konfiguration geistiger Beschleunigung und ihrer Antithese, des Stillstandes. Bleibt das blockhafte Gehäuse in seinem Ist-Zustand belassen und erweckt so den Anschein einer angerosteten Minimal-Skulptur, wurde das makellos intakte Innere in seiner Höhe etwa auf menschliche Körpergrösse verkürzt. Lässt schon die Wechselwirkung zwischen erratischem Ausseren und verknapptem Innern an eine Grabkammer denken, kann das ehemals mechanische Auf und Ab in der Imagination nicht nur himmlische Dimensionen erreichen.

Presseinformationen

Für Bildanfragen, Informationen zum Ausstellungsprogramm und Interviews kontaktieren Sie bitte Aoife Rosenmeyer: presse [​at​] kunsthallezurich.ch oder +41 (0)44 272 15 15