DE/EN

Steve McQueen

12.06.–15.08.1999

Der dreissigjährige britische Künstler Steve McQueen transferiert seine zum Teil tonlosen, meist in 16 mm gedrehten Filme auf Video und bringt sie als installative Grossprojektionen in präzise räumliche Zusammenhänge: "Indem der Film so an die Rückwand des Raumes projiziert wird, dass er ihn von der Decke bis zum Boden und von der einen Seite zur anderen gänzlich ausfüllt, erhält er eine Art umgreifender Wirkung. Man wird in das Geschehen hineingezogen. Es soll eine stumme Erfahrung sein, denn wenn die Leute den Raum betreten, nehmen sie sich selber stärker wahr, ihren eigenen Atem... Ich möchte die Betrachter in eine Situation versetzen, in der sie sich selbst spüren, während sie das Stück ansehen." (Steve McQueen) Seine Filme bestechen durch ihre schlichte und zugleich komplexe Intensität. Sie sind von grosser visueller Direktheit, machen jedoch etwa durch die bewusste "Konstruktion" extremer Blickwinkel das Medium Film an sich bewusst. Sie beziehen sich auf die überlieferte kinematografische Bildsprache, entbinden sich aber von einer konventionellen Erzählstruktur und geben - obwohl McQueen meist als Hauptakteur auftritt - nur verschlüsselt persönliche und politische Aspekte preis, so seine Lebenserfahrung als Angehöriger der schwarzen Minorität Grossbritanniens.

Die Ausstellung bringt fünf Videoprojektionen in subtil choreografierte Wechselwirkungen. Schwarzweisse und tonlose Werke wie "Just Above My Head" (1996) und "Deadpan" (1997) werden von Farbfilmen mit Ton kontrastiert, die jüngeren Datums sind, so "Drumroll" (1998) und das für Zürich fertiggestellte Werk "Prey" (1999). Sie werden wiederum mit der fotografischen Folge "Barrage" (1998) in Beziehung gesetzt, die geschnürte Teppichbündel festhält, die die Strassenkehrer in Paris für die Regulierung des reinigenden Wasserflusses verwenden, dies in geradezu antropomorph wirkender Körperlichkeit.

Das Triptychon "Drumroll" etwa lässt eine frontale Bildrotation von seitlich kreisenden Bildbewegungen flankieren, je aufgenommen aus entsprechenden Kamerapositionen. Sie befinden sich an einer zentralen Offnung im Innern und an den Enden eines Olfasses, das der Künstler durch die Strassen Manhattans rollt, wobei sich in die babylonische Geräuschkulisse die warnenden und entschuldigenden Rufe des Akteurs mischen. Der Betrachter wird mit der Wucht eines Trommelwirbels in diese Bilddynamik hineingezogen, die in futuristischer Brechung die Aussenwelt wiedergibt. "Just Above My Head" hingegen, dessen Titel sich auf einen Roman des schwarzen Schriftstellers James Baldwin bezieht, besteht aus einer gleitenden Kamerabewegung, die eine lautlos und unaufhaltsam nach vorne schreitende Gestalt vor einem leeren weissen Himmel zeigt, wobei in der Projektion nur der auf und ab wippende Kopf knapp über dem Boden aufscheint, als müsse er sich über Wasser halten. Am Ende ragen Aste ins Bild, wie wenn erobertes Land in Sicht wäre. Die Ahnung von Grenzenlosigkeit und Uberwindung der Schwerkraft ist an die Schwierigkeit gebunden, überhaupt im Tritt zu bleiben und sich im Bildrahmen zu behaupten.

Diesem Ausschreiten antwortet "Deadpan" mit statuarischer Gehaltenheit. Immer und immer wieder fällt ohne Geräusch und in hautnaher Bedrängnis des Betrachters eine Hauswand über den regungslos dastehenden Künstler, gerade so, dass die Fensteröffnung ihn ausspart. In Anspielung auf eine Slapstick-Szene aus einem Buster Keaton-Film, die das unbeschadete Uberstehen der Katastrophe als ein Mirakel des Zufalls zeigt, rekonstruiert sie McQueen - in aus verschiedenen Kamerapositionen aufgenommenen Wiederholungen - als gezielte Uberwindung der Angst, die Welt könnte aus den Fugen fallen. Das Schicksal wird sozusagen herausgefordert, um es in den Griff zu bekommen. Diesem breitbeinigen Ausharren antwortet in "Prey" eine leichte und emporsteigende Bewegung. Es handelt sich um ein Tonbandgerät, das unablässig klappernde Steptanz-Takte wiedergibt und langsam in sphärische Weite entrückt mittels eines weissen Ballons, der zur Perle im Wolkenmeer wird und bis zum Verschwinden in die Unsichtbarkeit ein leises Pochen hören lässt.

Presseinformationen

Für Bildanfragen, Informationen zum Ausstellungsprogramm und Interviews kontaktieren Sie bitte Aoife Rosenmeyer: presse [​at​] kunsthallezurich.ch oder +41 (0)44 272 15 15